Die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen in Deutschland stagniert. Im Jahr 2018 waren 15,3 Millionen Menschen oder 18,7 Prozent der Bevölkerung betroffen, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte - fast genau so viele wie im Vorjahr. Linke und Grüne warfen der Bundesregierung vor, nichts gegen das Problem zu unternehmen.
Der Statistik zufolge waren 2017 rund 15,5 Millionen Menschen oder 19 Prozent der Bevölkerung betroffen. Als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht gelten unter anderem Menschen mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Dazu zählen aber auch Menschen in Haushalten, deren finanzielle Möglichkeiten erheblich eingeschränkt oder die stark von Erwerbslosigkeit betroffen sind.
Nach wie vor ist laut der Statistik jeder Sechste in Deutschland armutsgefährdet. Rund 13 Millionen Menschen oder 16 Prozent der Bevölkerung verfügten im vergangenen Jahr über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung. Der Schwellenwert lag im Jahr 2018 für Alleinlebende bei 1136 Euro im Monat, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2385 Euro.
Unter "erheblicher materieller Entbehrung" litten laut der Behörde 3,1 Prozent der Bevölkerung. Das bedeutet, dass sie zum Beispiel nicht in der Lage waren, Rechnungen für Miete oder Hypotheken zu bezahlen, ihre Wohnungen angemessen zu heizen oder eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren.
Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping bezeichnete die Daten als "Beleg für den Unwillen der Bundesregierung die sozialen und wirtschaftlichen Probleme in Deutschland anzugehen". Dass Menschen unter Armut leiden, "ist kein Naturgesetz, sondern Versagen aller bisherigen Bundesregierungen", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP.
"Wenn es den Mut und die Mehrheiten dafür gibt, können wir mit sozialen Garantien alle vor Armut schützen", sagte Kipping. Nötig seien eine Erhöhung des Mindestlohns, die Abschaffung des "unsäglichen Hartz-IV-Systems" und "eine Rente, die ein würdiges Leben im Alter ermöglicht".
Auch die Grünen warfen der Bundesregierung "Versagen" im Kampf gegen Armut vor. "Wir brauchen endlich eine armutsfeste Garantiesicherung statt Hartz IV, eine Kindergrundsicherung die alle Kinder sozial absichert, und eine Garantierente die im Alter ein Leben in Würde ermöglicht", erklärte der Grünen-Sozialexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn.
Die sozialpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Kerstin Tack, betonte, dass 13 Millionen Menschen in Deutschland von Armut gefährdet seien, "nehmen wir nicht tatenlos hin". Die SPD wolle den Sozialstaat "stärker und solidarischer" aufstellen.
Dazu gehört laut Tack eine eigenständige Grundsicherung für Kinder. Dagegen gibt es in der Union allerdings große Vorbehalte. Die SPD-Politikerin sprach sich außerdem für "ein Recht auf Arbeit für alle" aus, für eine stärkere Tarifbindung und "eine konsequente Umverteilung von oben nach unten durch die Vermögenssteuer". Auch diese wird aber von CDU und CSU abgelehnt.
cne/ilo AFP