FRAGE: Maria P., die Schlüsselzeugin in der Causa Nawalny, hat am 18. September in einem Interview selbst zugegeben, dass sie in demselben Flugzeug wie Herr Nawalny nach Deutschland geflogen ist und sich damit der Befragung durch russische Behörden entzogen hat. Sie hat ebenfalls zugegeben, dass sie in diesem Flugzeug die mutmaßlich mit Nowitschok kontaminierten Wasserflaschen aus Russland herausgeschmuggelt hat.
Herr Seibert, Sie wollten dazu in der letzten Woche noch keine Stellung beziehen. Sieht sich die Bundesregierung nach diesem Interview in der Lage, zu bestätigen, dass sich mit Maria P. eine der Schlüsselzeugen in der Causa Nawalny in Deutschland befindet?
War die Bundesregierung im Voraus darüber informiert, dass im Charterflugzeug, das Nawalny nach Deutschland brachte, auch potentielle Beweismittel aus Russland nach Deutschland geschmuggelt werden?
SEIBERT (BReg): „Schmuggel“ usw. ist jetzt Ihre Wortwahl. Ich habe zu dem Ganzen heute keinen anderen Stand, als wir ihn hier am Freitag besprochen haben.
ZUSATZFRAGE: Keine Nachfrage, aber ich würde ganz gerne eine Antwort darauf haben, dass eine Schlüsselzeugin sagt, dass sie in dem Flugzeug war und die Wasserflaschen ‑ potentielle Beweismittel, die wohlgemerkt mutmaßlich angeblich mit Nowitschok kontaminiert waren ‑ aus Russland nach Deutschland gebracht hat. Da sollte die Bundesregierung doch in der Lage sein, zu sagen: Ja, diese Schlüsselzeugin befindet sich in Deutschland. Ja, mit Nowitschok kontaminierte Flaschen waren im Flugzeug, das auch Nawalny nach Deutschland transportiert hat. ‑ Das sind ja keine unwesentlichen Details, zu denen man einfach schweigen kann.
SEIBERT: Nein, aber es führt uns zu dem zurück, was wir hier schon vielfach gesagt haben: Russland hat alle Möglichkeiten, eine Untersuchung durchzuführen, hat Beweismittel, hat Proben von Herrn Nawalny. Deswegen habe ich jetzt dazu nichts Neues beizutragen.
ZUSATZFRAGE: Russische Behörden sagen bis zum jetzigen Zeitpunkt, dass nach wie vor auf beide Rechtshilfeersuchen, die an die deutschen Behörden geschickt worden sind, nicht reagiert wurde bzw. nach wie vor keine Antwort vorliegt. Mich würde interessieren, aus welchen Beweggründen die Bundesregierung bisher darauf verzichtet hat, auf diese Rechtshilfeersuchen zu reagieren.
VORS. WEFERS: Dann kann ich gleich eine Online-Frage anschließen. Frau Bönnighausen, ist in dem Fall ein zweites russisches Rechtshilfeersuchen zum Fall Nawalny bearbeitet und gegebenenfalls weitergeleitet worden?
SEIBERT: Das ist hier mehrfach beantwortet worden. Aber die Kollegin kann es ja noch einmal sagen.
BÖNNIGHAUSEN (BMJV): Das ist auch das, was ich sagen wollte. Es gibt im Vergleich zu Freitag keinen neuen Stand, was die Äußerungen meines Kollegen angeht.
ADEBAHR (AA): Der Stand ist, dass das erste Rechtshilfeersuchen an die Berliner Justizbehörden weitergeleitet wurde und das zweite in Bearbeitung ist und geprüft wird. Insofern befindet sich das erste Rechtshilfeersuchen bei den Behörden, und das zweite ist in Bearbeitung.
FRAGE: Frau Adebahr, Frau Bönnighausen, vielleicht können Sie erklären, warum die Prüfung dieses zweiten Rechtshilfeersuchens so lange dauert. Es gibt durchaus einen Zeitfaktor bei der Aufklärung von Straftaten, die vermutet werden. Das erste ist schon bei den Berliner Justizbehörden, und das zweite liegt seit mehreren Tagen im Justizministerium und wird nicht weitergeleitet. Was ist der Grund dafür?
BÖNNIGHAUSEN: Ich kann nur das sagen, was mein Kollege am Freitag schon gesagt hat, dass über die Weiterleitung noch nicht entschieden worden ist. Über die weiteren Details der konkreten Fälle werden uns wir uns, wie üblich im Rechtshilfeverfahren, nicht weiter äußern.
FRAGE: Ich habe eine Verständnisfrage. Sowohl das Auswärtige Amt als auch der Regierungssprecher haben jetzt mehrmals betont, dass alle Beweise und Zeugen in Russland zu suchen sind. Jetzt befindet sich aber eine der Schlüsselzeugen in Deutschland. Ein mutmaßlich zentrales Beweismittel befindet sich ebenfalls in Deutschland. Bis heute hat sich die Bundesregierung nicht dazu geäußert, ob sie bereit ist, diese Beweismittel russischen Behörden auszuhändigen. Wenn Russland bei der OPCW nachfragt, wird es nach Deutschland verwiesen. Deutschland wiederum verweist auf die OPCW. Mich würde trotzdem interessieren, wieso die Bundesregierung insistiert, dass alle Beweise in Russland sind, wenn, wie ich schon ausgeführt habe, elementare Beweise in Deutschland liegen. Um Beispiele zu nennen: Es gibt sowohl diese besagten Nowitschok-Flaschen als auch die zentrale Zeugin.
SEIBERT: Über die Kontakte Russlands mit der OVCW kann ich logischerweise keine Auskunft geben. Das wäre mit der OVCW zu besprechen.
Wir haben von Anfang an gesagt ‑ und dieser Stand gilt ‑, dass Russland über alles Notwendige verfügt, um selbst Untersuchungen bzw. Ermittlungen durchzuführen, vor allem die Proben von Herrn Nawalny.
ADEBAHR: Wenn ich das noch anfügen darf: Sie äußern Ihre Meinung zu mutmaßlichen Beweisstücken, zu mutmaßlichen Schlüsselzeugen. Ich glaube, Herr Seibert hat für uns das gesagt, was zu sagen ist. Die Rechtshilfeersuchen liegen ‑ zumindest schon einmal das Erste ‑ bei der Berliner Justiz, die sich mit diesen Fragen des Ersuchens befassen wird.
FRAGE: Ist nicht aber dennoch die Flasche, bei der deutsche und andere Untersuchungen Nowitschok festgestellt haben, ein Beweismittel, über das zumindest Russland derzeit nicht verfügt? Das scheint zumindest ein objektiver Sachverhalt zu sein. Wenn es sich so verhält, wird die Bundesregierung dann dieses Beweismittel, über das Russland zurzeit offenbar nicht verfügt, Russland gegebenenfalls für die weitere Aufklärung zur Verfügung stellen?
SEIBERT: Ich trage einfach noch einmal den ersten Satz der Erklärung der Pressemitteilung, die wir am 2. September herausgegeben haben, vor:
„Auf Veranlassung der Charité ‑ Universitätsmedizin Berlin ‑ hat ein Speziallabor der Bundeswehr eine toxikologische Untersuchung anhand von Proben Alexej Nawalnys durchgeführt.“
Das ist meine Beantwortung Ihrer Frage.
ZUSATZFRAGE: Dass Proben von Alexej Nawalny untersucht wurden, das haben Sie beantwortet.
Es gab aber auch eine Berichterstattung, die nicht dementiert worden ist, dass an einer Wasserflasche, die aus dem Hotel in Tomsk stammt, Nowitschok festgestellt worden sei. Das würde ich nicht als eine Probe Nawalnys sehen, sondern als eine Probe aus dem Umfeld Nawalnys. Wenn dies ein Beweismittel ist, wenn eine solche Flasche existiert, an der Nowitschok festgestellt wurde, ist das ein zusätzliches Beweismittel jenseits der Körperflüssigkeiten von Herrn Nawalny. Dann bleibt die Frage ‑ und diese haben Sie nicht beantwortet ‑: Wird die Bundesregierung dieses Beweismittel Russland, wenn es das haben möchte, zur Verfügung stellen?
SEIBERT: Die Rechtshilfeersuchen Russlands sind in Bearbeitung, wie Sie heute schon mehrfach gehört haben. Ich kenne übrigens nicht den Inhalt dieser Rechtshilfeersuchen. Danach wird zu entscheiden sein, was die Berliner Justiz mit diesem Rechtshilfeersuchen macht. Ich habe dem nichts weiter hinzuzufügen.