Das Duo „Nous“ (Wir) hat kürzlich ein gemeinsames Album herausgebracht. Es basiert auf gemeinsamen Improvisationen, in denen die Söngerin und der Pianist sich von dem gleichzeitigen Namen des Albums inspirieren ließen: „Je suis“
"Nous" vereint Klavier, Kinderklavier, Harmonium
und Gesang mit elektronischen Elementen. Marie Séférian ist geborene
Münsteranerin. Gesanglich kombiniert sie französischen Chanson mit Jazz und
Konnakol, indischem Sprechgesang. Diesen zunächst ungewöhnlichen,
rhythmischen Klang hat Séférian in Indien selbst erlernt. So nimmt das Duo die
Frage der Identität in Angriff: Der Pianist und die Sängerin kommunizieren
durch die Musik miteinander, die Stücke sind genauso viel Gespräch wie fertiges
Werk.
Trotz – oder gerade wegen - der gewöhnungsbedürftigen
Situation eines der ersten live-Konzerte war das Auditorium des LWL gefüllt.
Die Stimmung unter den etwa 80 Besuchern war etwas verunsichert, aber vor allem
erwartungsvoll, als nach einer kurzen Willkommensrede durch Müller Hofstede
die Künstler mit einem ersten beeindruckenden Stück begannen.
Nach dem gebührenden Applaus bedankte sich Séférian bei dem Publikum in ihrem Heimatort Münster, wo sie zuletzt vor zwei Jahren aufgetreten war: Es ist „seit langem das vollste Konzert, das ich singe.“ Kurz erzählt sie, wie das Album in einem Berliner Studio entstanden ist. Dabei hätte man sich nach einem ersten musikalischen Beschnuppern in ein Gespräch zwischen Instrument und Gesang begeben, das durch das Thema „Je suis“ geleitet, aber keineswegs beschränkt wurde.
Dementsprechend unterschiedlich fällt auch das zweite Stück
„Je suis brouillard“ (Ich bin Nebel) aus. Langsamer und bedächtiger
als zuvor, aber nicht ohne zum Ende auch Nachdruck und einige verspielte
Klaviermelodien unterzubringen, fällt hier besonders der kreative Umgang Séférian’s mit ihrer
Stimme auf. Der Text dient eher als Träger für Emotionen und Melodie, besteht
dabei aus wenig mehr als dem Titel des Stückes selbst. Insgesamt scheint es
auch eher um die vermittelten Gefühle zu gehen, wenn sanftes Fauchen oder Summen an die Stelle von klarem Gesang tritt.
Nun ergreift Schmiedt das Wort und erzählt von seinem Umgang mit der Pandemie. „Wir sind zum Schweigen gezwungen worden“, gerade auch deshalb bedeutet es viel, wieder auf Bühnen zu können. Auch das Auditorium des LWL scheint ihm als angemessener Ort für dieses Konzert. Museen seien Orte, an denen Geschichten erzählt werden, etwas das sie mit der Musik des Abends gemein haben.
„Danke, dass Sie uns bei unserem Gespräch zuhören.“
Die folgenden beiden Stücke machen erneut die Vielfalt des
Duos klar: Während in „Je suis calme“ (Ich bin ruhig) erneut langsame,
tiefe und fast traurige Melodien dominieren, die von Schmiedts‘s Instrumentenwechsel an das
Harmonium nur untermalt werden, greift das deutlich lebhaftere „Je suis
respiration“ zu einem besonderen Kniff: Zum Ende nimmt Séférian live eine
Endlosschleife ihrer Stimme auf und unterlegt damit ein vorab aufgenommenes
Gedicht, das die Suche nach dem eigenen Ich reflektiert. Was zuerst irritiert, entfaltet in diesem Rahmen eine besondere Wirkung und regt zum
konzentrierten Nachdenken an.
Es wird auch immer klarer, wie sehr die einzelnen Stücke vom – nach wie vor spontan und organischen – Zusammenspiel der Beiden profitieren. Oft spielen sie einander zugewandt, mal gibt das Klavier, mal die Stimme die Richtung an. Tarsächlich ist ein Stück nie gleich, erklärt Schmiedt, sondern passt sich nicht zuletzt der Stimmung des Publikums an. Auch das jeweilige Instrument, auf dem gespielt wird, der Raum und die Tagesform der Künstler sind Teil dieser „Feedbackschleife“.
Das Programm des Abends endet mit einer Homage an Münster,
die Heimatstadt der Sängerin. „Je suis maison“ und erneutem Dank an Müller Hofstede, der das Konzert
unter den widrigen Umständen ermöglicht hat. Nach ehrlichem und langem Ablaus
wird das Publikum noch mit einer letzten besonderen Zugabe in den künstlerischen Schaffensprozess
eingebunden: Marie Séférian und Henning
Schmiedt spielen ein improvisiertes Stück auf der Grundlage eines spontan
gewählten Wortes aus dem Publikum. Es widmete sich dem vollen Mond des Abends.