Es ist nun schon einige Tage her, als ich das letzte Mal für sie schreiben durfte und ich gebe zu, es umschleicht mich ein ambivalentes Gefühl. Auf der einen Seite freue ich mich natürlich sehr, Sie wieder an meinen Gedanken teilhaben lassen zu können. Auf der anderen bin ich auch gefrustet, wie sehr mir die Fratze der Zivilisation ins Gesicht schreit: siechste, Ohne Netz geht es eben doch nicht.
Warum eigentlich nicht? Warum sträuben sich alle so sehr dagegen,, die analoge Seite der Welt wahr zu benehmen, oder wie Jean Baudrillard es nennen würde: warum verweigern wir uns so sehr des realen und flüchten uns ins Irreale? Nur weil dort auch ein Hartz IV Empfänger so tun kann, als habe uns sei er alles, was er gerne wäre? Und dann? Wenn es mit der Sympathie geklappt hat, dann trifft man sich spätestens beim zweiten Date in einem Rattenloch? So lebst Du also? Neee, das habe ich mir aber anders gedacht, also ein bisschen Luxus brauche ich schon, nicht viel, aber so Abends etwas leckeres zu essen und ein bisschen TV zum Abschalten, ist ja wohl nicht zu viel verlangt. Nein, eigentlich nicht, die Frage ist nur, ob wir wirklich abspannen müssen, oder ob es nicht vielleicht viel klüger wäre auf das alles, was uns anspannt zu verzichten. Die Zeit, Zeit sein zu lassen, den Kindern bei spielen, den Mädchen beim Tanzen du einfach schön sein und den Männern beim brumpfen um die Angebetete zu lauschen oder beizuwohnen.
Was erwarten wir uns vom Kapitalismus, dass wir uns ihm so unterwerfen, alle unsere Werte an dieser Doktrin messen? Nichts und niemand darf existieren, ohne an der großen Benchmark gemessen zu sein. Schade, wirklich schade,, denn die wirklich schönen Dinge liegen meist abseits vom Generischen. Es sind die Dinge, die einem am Rand begegnen, die sich nicht aufdrängen, weil sie es nicht nötig haben sich schöner und phantastischer zu machen, als sie sind. Barfuß im Regen. Der tanzende schritt einer Lady im Bus, die aufs Klo muss oder der Moment, wenn die letzte Zigarette zwischen Blutrot getränkten Lippenstiftwaben die Nerven besänftigen, als das Amt noch geschlossen oder die Reihe vorm Bäcker noch unüberschaubar ist.
Grad ist es still draußen. Selbst die ungeduldigsten Autofahrer werden von der Ruhe der Nacht eingeholt und zur Muße gezwungen. Auch die, die sich noch dagegen wehren und mit ihren dreckigen Mistschleudern zu Terminen fahren, die sie für wichtig halten. Aber auch sie werden sich wünschen, dass hinter der kommenden Tür die sie öffnen werden jemand sitzt oder steht, der sie in den Arm nimmt und liebkost. Das Gefühl gibt, etwas Besonderes zu sein, einfach so, weil es ihn gibt. Nicht weil er beim Fernsehen die Schnauze hält oder im Bett der Hengst ist, sondern weil er oder sie weiß, dass der Partner gerne Salzstangen möchte, bevor er es selbst weiß. Beim Gang in die Küche den Rotwein für den anderen nicht vergisst, oder heimlich das Bett mit einer Krümelmonsterwärmflasche vorwärmt. Das ist Liebe, das wünsche zumindest ich mir.
Schade, dass das so einmalig zu sein scheint, dass ich mit diesem Wunsch alleine bleibe. Gerade jetzt, wo es wieder Zeit zum kuscheln wird. Kerzen flackern und warme Socken oder ein kuscheliger Schal eine schöne Erinnerung an den wäre, den man vermisst. Aber Computer ist auch schön, dann weiß ich wenigstens, dass ich mit der Einsamkeit nicht allein bin.
Bis morgen,
Bild und Text: Adi Muenstermann