Wir alle haben in den letzten Wochen die dramatischen Ereignisse um Alexej Nawalny verfolgt. Ich will zu Beginn etwas sagen, was in der ganzen Debatte vielleicht zu oft in den Hintergrund gerät.
Wir
alle sind sehr froh und erleichtert, dass er das, was geschehen ist,
überlebt hat. Das ist vor allen Dingen eine ganz großartige Leistung der
Ärztinnen und Ärzte der Berliner Charité, aber auch der Ärzte, die ihn
zunächst in Omsk behandelt haben. Deshalb verdienen diese Medizinerinnen
und Mediziner vor allen Dingen unseren großen Dank.
Meine
Damen und Herren Abgeordnete, inzwischen wissen wir, was der Grund für
den Todeskampf von Alexej Nawalny gewesen ist.
Drei Speziallabore in Deutschland, Frankreich und Schweden haben unabhängig voneinander und ohne jeden Zweifel bestätigt, dass er mit einem chemischen Nervenkampfstoff der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden ist.
Als
Mitgliedstaat des Chemiewaffenübereinkommens haben wir daraufhin
unverzüglich die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, die
OVCW, über den Einsatz eines solchen international geächteten
Nervenkampfstoffes unterrichtet. Wir haben die OVCW gebeten, in eigener
Zuständigkeit entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Ein
Expertenteam der OVCW hat daraufhin vor Ort biomedizinische Proben von
Herrn Nawalny entnommen und diese durch designierte OVCW-Referenzlabore
analysieren lassen.
Die OVCW bestätigt nun völlig unzweideutig, dass im
Blut und Urin von Herrn Nawalny Substanzen gefunden wurden, die nach
ihrer Struktur zur Nowitschok-Gruppe gehören. Eine Zusammenfassung des
Berichtes hat die OVCW gestern auf ihrer Webseite veröffentlicht; dieser
ist damit für alle einsehbar.
Im
Übrigen konnten auch die Mitgliedstaaten der OVCW die Ergebnisse
bereits auf dem aktuell tagenden OVCW-Exekutivrat in Den Haag
diskutieren. Dabei sind viele Fragen gestellt worden, vor allen Dingen
viele Fragen an Russland, ebenfalls ein Mitglied der OVCW, Fragen, die
auch wir und unsere Partner in den letzten Wochen immer wieder gestellt
haben und die nach unserer Einschätzung bis heute nicht beantwortet
worden sind, zum Beispiel: Warum wurde ein hochgefährlicher und
international geächteter chemischer Kampfstoff wie Nowitschok nicht
längst deklariert und auch vernichtet?
Warum hat Russland in seinem
Speziallabor noch keine eigenen Untersuchungen eingeleitet, obwohl das
Krankenhaus in Omsk über Blut- und Gewebeproben von Herrn Nawalny
verfügt?
Warum wurden bis heute auch keine strafrechtlichen Ermittlungen
in Russland eingeleitet, um zu klären, durch wen, unter welchen
Umständen und auch warum Alexej Nawalny vergiftet worden ist? Denn,
meine Damen und Herren, schon allein die Entwicklung, die Herstellung
und der Besitz chemischer Waffen stellen einen eklatanten Bruch des
Völkerrechtes dar.
Russland
selbst müsste eigentlich nach unserer Auffassung - das habe ich auch
dem russischen Außenminister in einem Telefonat noch einmal persönlich
gesagt - ein großes Interesse an der vollständigen Aufklärung dieses
Verbrechens haben.
Schließlich reden wir über die Vergiftung eines
namhaften russischen Oppositionellen auf russischem Territorium.
Bisher
sind dazu allerdings nach unserer Auffassung keine erhellenden
Sachverhalte in Russland ans Licht gekommen. Es werden eher absurde
Vorwürfe gegen Deutschland und auch gegenüber der OVCW erhoben - bis hin
zu dem Vorwurf an Herrn Nawalny, sich selbst mit Nowitschok vergiftet
zu haben.
Wir
sind der Auffassung, dass das alles nicht zur Aufklärung des Falles
beitragen wird.
Wir gehen davon aus, dass endlich Licht ins Dunkel
dieses Falles gebracht werden muss und dabei insbesondere von den
russischen Behörden Fragen, die auch im Exekutivrat der OVCW gestellt
worden sind, entsprechend beantwortet werden müssen. Wenn das nicht der
Fall ist, wird kein Weg an einer eindeutigen und klaren internationalen
Reaktion vorbeiführen.
Diese
Tat, verübt mit einem chemischen Nervenkampfstoff, ist ein schwerer
Bruch des Völkerrechtes. So etwas kann nach unserer festen Überzeugung
nicht ohne Konsequenzen bleiben. Deshalb werden wir in den nächsten
Tagen mit unseren Partnern innerhalb der Europäischen Union, aber auch
innerhalb der OVCW eine gemeinsame Reaktion abstimmen.
Klar ist, dass dann, wenn die Vorgänge nicht aufgeklärt und die dafür notwendigen Informationen nicht zur Verfügung gestellt werden, zielgerichtete und verhältnismäßige Sanktionen gegen Verantwortliche auf russischer Seite unvermeidlich sein werden. Russland täte gut daran, es nicht so weit kommen zu lassen.
Vielen Dank, Herr Präsident.