Als ich ein kleiner Junge war, stand der Fernseher im Fokus des Interesses. Pantoffelkino, gespickt mit schönen Frauen und einmaligen Herren in den besten Jahren. Hin und wieder starben auch damals mehr oder weniger prominente Menschen und meine Eltern, besonders meine Mutter, wurde mit Wehmut erfüllt. Für mich war das schwer zu verstehen, denn mit zehn, zwölf und auch mit 18, war das Leben noch beinahe ewig und das Alter so weit weg. Mittlerweile verstehe ich, was meine Mama damals so berührte, die Tuchfühlung mit der Endlichkeit. Wenn Personen des Lebens plötzlich verschwanden. Jetzt bin ich so alt wie meine Mutter damals, und plötzlich sterben auch meine Idole, erst vor kurzem der hochgeachtete Michael Gwisdek, den ich über seinen Sohn kennenlernte, der damals mit mir in einer Agentur war und jetzt: Herbert Feuerstein.
Ich weiß, es war bereits am 6. Oktober und den besten Nachruf auf sich hat er selbst beim WDR veröffentlicht (Nachruf von Feuerstein auf Feuerstein im WDR), aber es ist ja auch nicht wichtig, wann man sich erinnert, sondern wie. Deshalb möchte ich mich weniger mit den einzelnen Lebensetappen des Ausnahmekreativen beschäftigen, sondern seinen Berührungspunkten mit meinem Leben.
Auch mir wurde er über die Sendung „Pssst…“ bekannt. Natürlich nicht so persönlich wie Harald Schmidt, aber auch in meinem Leben hat er einen bleibenden Eindruck hinterlassen, denn seine Aussagen und sein Humor war immer so quer, dass ich gar nicht genug von dem kleinen Kautz aus Österreich bekommen konnte. Diese scheinbar altruistische Art, über sich selbst zu lachen, die auf den zweiten Blick immer den Partner aufs Korn nahm, herrlich.
Oma Sharif und die legendäre Begrüßung „Hallo Schmidt“ – „Hallo Feuerstein“ gehörten zu geflügelten Worten meiner Generation wie Katzeklo und Tutti Frutti. Aber Feuerstein war nicht so banal sexuell wie wir adoleszenten Pennäler. Obligatorisch war Herbert Feuerstein das Körperliche nicht fremd, sonst hätte er Alfred in MAD nicht so wirklich absurde Dinge in den Geist legen können, aber es war ein bisschen so, als wäre Feuerstein der Sex an sich zu banal als Klippe eines Witzes gewesen. Entweder musste der Humor darüber oder darunter liegen, aber wirklich niemals da, wo ihn andere verortet hätten und haben.
Nun ist Feuerstein beim ewigen Licht und die Welt um ein großes Talent ärmer. Als Loriot vor einigen Jahren starb, schrieb der art directors club: Lieber Gott viel Spaß, ich wünsche ihm heute gute Nerven, denn Feuerstein war unbequem, brutal in der Analyse und dem Aufbau von Sketchen wie der legendäre Rudi Carrell, was auch ein Grund dafür war, dass nach der Trennung von Schmidt und Feuerstein die Bande zwischen beiden nicht weiter intensiviert wurden. Feuerstein verstand es, einer professionellen Zusammenarbeit immer einen freundschaftlichen Anstrich zu geben, aber wie Stanley Kubrick, war das am Ende der Produktion auch vorbei. Freunde, hatte Herbert Feuerstein privat, beruflich hatte er Kollegen, was aber nicht heißt, dass Sympathie und alle notwendigen Tools dafür, eine konstruktive Zusammenarbeit nicht beflügeln könnten.
Nun ist sein diebisches Lachen verstummt und die riesige Hornbrille nur noch ein Accecoir, das im Sand vor sich hin modert. Aber seine Arbeit wird dank digitaler Kapazitäten hoffentlich noch lange vielen Generationen Freude bereiten, denn der Humor von Feuerstein war zeitlos, denn bis seine Benchmark zur Konvention wird, beherrschen Ratten diesen Planeten und nicht mehr Menschen.
Lieber Herbert Feuerstein ich bin gespannt, ob du mir irgendwann erzählst, wie Du mit Gott in Wortgefechte geraten bist, ihn auf die Palme gebracht hast und dann wieder zum Lachen. Wenn einer in den Himmel gehört, dann Du, nicht weil Du Leben gerettet hast oder etwas Bahnbrechendes erfunden hättest, du hast dieser Welt etwas viel Notwendigeres geschenkt, ein Vorbild über sich selbst lachen zu können.
Jetzt hat der Teufel wirklich erstmalig die Chance Gott zu werden, denn nie war die Wahrscheinlichkeit größer, dass sich Gott tot lacht, als jetzt.