Stell dir vor - Du kommst nach Ost-Berlin - und du triffst da`n total heißes Mädchen, son total heißes Mädchen – Aus Pankow oder so…. Als ich 1997 von Hamburg nach Berlin zog und in einem kleinen schwarzen Bulli auf der A24 im Stau stand, lief genau dieser Song im Radio und mir eine Gänsehaut über den Rücken. Und als ich sie grad sah, schon wieder.
Damals war auch dieser Song schon ein Klassiker und der Interpret ein ehemaliger Nachbar von mir, aber es brauchte 21 Jahre bis ich erkannte, was uns verband. Aber der Weg von Udo (Jan Bülow) und mir war ähnlich und man kann nicht sagen, dass wir wenige Gemeinsamkeiten hatten. Gut, der langfristige Erfolg des einen, unterschied mich vom Idol aus dem Radio, aber der Weg, den wir beide zurücklegen mussten, wies viele Symmetrien auf, auch wenn ich nie in Libyen war.
Ich mach mein Ding, die Udo Lindenbergstory erzählt die Geschichte von dem westfälischen Ur-Rocker, der in Gronau einer Kleinbürgerlichen Installateur-Familie entwuchs und dessen Herzschlag vom Schlagzeug bestimmt wurde. Aber geprägt haben auch ihn, wie so viele Rastlose, der Suff der Familie und die Sehnsucht nach der großen weiten Welt.
Udos erste große Liebe war eine drei Jahre ältere Schönheit, die ihn im Freibad faszinierte und es gibt nur wenige Filme, die eine erste große Liebe so prägnant und ohne überflüssiges Pathos inszenierten. Sie spielte zwar kein Cello aber war eine Göttin für ihn und er saß immer in der ersten Reihe, und er fand sie so erregend. Ganz ohne heiße Pics auf Instagram.
Aber die Realität forderte ihren Tribut und mit dem Titel als Nord-west-deutscher Schlagzeugmeister verschlug es ihn nach Düsseldorf, ein echt spießiges Drecksloch. Hier sollte seine nächste Station sein. Von seinem Seefahrenden Onkel inspiriert, begann er dort eine Ausbildung zum Kellner in einem First-Class-Hotel, um des Nachts in Jazz-Clubs seiner Leidenschaft mit den Sticks zu frönen.
Dies soll aber nur eine kleine emotionale Einführung in die herausragend inszenierte Biographie vom Ex von Nena und vielen anderen schönen Frauen sein. Denn was Hermine Hutgeburth auf 35mm festhielt, sollte man sich persönlich anschauen. Unfassbare Stationen als Schlagzeuger bei der amerikanischen Armee in Libyen und natürlich auch Hamburg und Berlin, da, wo auch Onkel Pö Zuhause ist, wo die Rentnerband Dixiland spielt und die Hassliebe zum besten Freund mit LSD-Trips und vereinzelten Gigs das Leben in Kommunen finanzierte, denn in der Sprache der Nazis erfolgreich zu sein, war keine asphaltierte Autobahn, sondern eher ein Trampelpfad durch die düsteren Spelunken einer Jugend, die man erlebt haben muss, um sie zu lieben.
Vielleicht kann man diesen Film nur lieben, wenn man selbst auf dem Steindamm gewohnt hat und im Café Grünspan gefrühstückt hat. Vielleicht muss man auch selbst einmal die spröde Liebe von hanseatischen Bordsteinschwalben erlebt haben, um diesen Film zu lieben, aber mich verschlug es wie mit einem Backflash zurück in die Vergangenheit, als man schöne Frauen im Arbeitsamt aufgabelte und eine Party auch mal vor der Davidwache Station machte. Da, wo auch die Liebste mal mit in eine Table-Dance-Bar geht und für besondere Gratifikationen sorgt.
Ein Film für alle, die Hamburg nicht aus der Vogelperspektive des Radisson sondern dem verruchten Horizont der Ritze kennen.
Ich habe jedenfalls gemerkt, dass die Sucht einen niemals loslässt, aber das Leben zwischen Sandy und Michel, an Strandperle und im Docks intensiver und echter ist, als es in eingezwängten Konventionen, egal wie viel Geld man verdient, jemals sein kann. Ich jedenfalls bekam ganz dolles Heimweh; sogar völlig nüchtern.
In diesem Sinne: ein Herrengedeck oder zwei auf diesen Film.
Wertung: sechs von sechs eiskalten Astra für hervorragende Unterhaltung.
Bis morgen, von wo auch immer.
Ihr (Text und Bild:) adolf.muenstermann@gmail.com
P.S. Lieber Herr Röhler: So macht man Filme!