Deutschlands Wirtschaft warnt eindringlich vor einem erneuten generellen Herunterfahren der Unternehmen. Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau Anfang 2022 würde damit in weite Ferne rücken, erklärten die Wirtschaftsforscher am Freitag.
Das IW rechnet in seiner Konjunkturprognose vom September nach eigenen Angaben damit, dass die Wirtschaftsleistung 2020 um 6,25 Prozent zurückgeht - vorausgesetzt, es gibt keinen zweiten Lockdown. Würde die Wirtschaft erneut heruntergefahren, könnte das Bruttoinlandsprodukt auch 2021 noch um einen weiteren Prozentpunkt sinken, erklärten die Wirtschaftsforscher.
Bereits weniger schärfere Einschränkungen des Wirtschaftslebens im vierten Quartal 2020 könnten zu einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um einen Prozentpunkt oder 30 Milliarden Euro führen, erklärte das IW weiter. Im kommenden Jahr könnte das Plus der Wirtschaftsleistung bei einem zweiten Lockdown nur bei 3,5 Prozent liegen, im Falle eines Lockdowns sogar nur bei 2,5 Prozent. Ohne weitere Einschränkungen sei ein Plus von knapp 4,5 Prozent möglich, erläuterte das IW.
"Ein weiterer Lockdown wie im Frühjahr bremst die wirtschaftliche Entwicklung über Jahre aus", warnte IW-Konjunkturchef Michael Grömling. "Die Politik sollte vordringlich auf regionale Lösung setzen und deren Notwendigkeit klar kommunizieren, um gegen die zunehmende Unsicherheit vorzugehen." Das von mehreren Gerichten bereits gekippte Beherbergungsverbot etwa kritisierte das IW als "politischen Aktionismus".
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte von der Bundesregierung "eine besonnene Herbststrategie" gegen die Pandemie "mit einem klugen Mix aus passgenauen Maßnahmen von Bund und Ländern". Priorität müsse die örtliche Verantwortung für die Eindämmungsmaßnahmen haben. Ein zweiter Lockdown "wäre existenzgefährdend für zahlreiche Unternehmen in Deutschland", sagte BDI-Präsident Dieter Kempf den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Mit umfassenden Schutzvorschriften könne ein komplettes Herunterfahren der Industrie vermieden und der grenzüberschreitende Waren- und Personenverkehr in Europa trotz steigender Infektionszahlen aufrechterhalten werden, betonte der BDI-Chef. Eine erneute Unterbrechung der Lieferketten wie im Frühjahr wäre nach seinen Worten "für die Exportnation Deutschland fatal".
Kempf appellierte auch an die Eigenverantwortung der Bürger: Sie könnten mit diszipliniertem Verhalten vermeiden, öffentliches Leben und wirtschaftliche Aktivität zu gefährden. Auf diese Weise könnten die Bürger auch für den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes sorgen.
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