Erdogan sagte am Samstag, Macron solle nach seinen Äußerungen über Islamisten seinen "geistigen Zustand überprüfen" lassen. Der französische Botschafter in Ankara wurde daraufhin zu Beratungen mit Macron zurückgerufen. Damit solle ein "sehr starkes Signal" an Ankara gesendet werden, verlautete aus Macrons Umfeld.
"Die Äußerungen von Präsident Erdogan sind inakzeptabel", erklärte die französische Präsidentschaft gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. "Maßlosigkeit und Grobheit sind keine Methode." Erdogan müsse seinen politischen Kurs ändern, "weil er in jeder Hinsicht gefährlich ist".
Hintergrund des Eklats sind Äußerungen Macrons nach dem islamistischen Mordanschlag auf einen Geschichtslehrer bei Paris. Der Pädagoge Samuel Paty war von einem 18-jährigen Attentäter tschetschenischer Herkunft enthauptet worden, weil er seinen Schülern Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte, um das Thema Meinungsfreiheit zu illustrieren.
Es handelte sich um dieselben Karikaturen, welche die französische Satirezeitung "Charlie Hebdo" veröffentlicht hatte. Auf die Redaktion des Blattes in Paris war deswegen im Jahr 2015 ein Anschlag mit zwölf Toten verübt worden.
In einer nationalen Gedenkfeier für Paty sagte Macron am Mittwoch: "Wir werden Karikaturen und Zeichnungen nicht aufgeben." Auch kündigte er ein verschärftes Vorgehen gegen Islamisten an. Seit dem Anschlag gingen die französischen Sicherheitsbehörden bereits in dutzenden Einsätzen gegen Menschen und Vereinigungen vor, die mutmaßlich dem islamistischen Spektrum angehören oder ihm nahe stehen. Der Attentäter selbst war kurz nach dem Mord von der Polizei erschossen worden.
Erdogan sagte nun in seiner Ansprache über Macron: "Was kann man über ein Staatsoberhaupt sagen, dass Millionen Mitglieder verschiedener Glaubensrichtungen so behandelt?" Dieser müsse erst einmal "seinen geistigen Zustand überprüfen" lassen. Der türkische Staatschef sagte auch: "Was hat dieses Individuum namens Macron für ein Problem mit dem Islam und Muslimen?"
Erdogan hatte die mentale Gesundheit des französischen Präsidenten bereits vor einem Jahr in Zweifel gezogen. Nachdem Macron der Nato - der sowohl Frankreich als auch die Türkei angehören - den "Hirntod" bescheinigt hatte, konterte Erdogan mit der Aufforderung, der französische Staatschef solle "seinen eigenen Hirntod" untersuchen lassen.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und der Türkei sind zuletzt auch durch andere Themen stark belastet worden. So warf Macron der türkischen Regierung massive Einmischung in den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Südkaukasus-Region Berg-Karabach vor. Laut Macron soll Ankara dschihadistische Kämpfer von Syrien verlegt haben, um Aserbaidschan in dem Konflikt zu unterstützen.
Auch hat Macron im Konflikt um Gasvorkommen im östlichen Mittelmeerraum scharfe Warnungen an Erdogan gerichtet. Frankreich verstärkte zur Unterstützung von Griechenland und Zypern in dem Konflikt auch seine Militärpräsenz in dem Meeresgebiet.
Macrons Äußerungen über Islamisten und die Karikaturen sorgen unterdessen auch in anderen Teilen der islamischen Welt für Entrüstung. Vor der Residenz des französischen Botschafters in Israel demonstrierten am Samstagabend rund 200 Menschen gegen Macron. Im Gazastreifen verbrannten Protestierende Fotos des französischen Präsidenten.
Zudem mehren sich Boykottaktionen gegen französische Produkte. So wurde in dutzenden Supermärkten in Kuwait französischer Käse aus den Regalen entfernt. Auch in Katar sah ein AFP-Reporter, dass in einem Geschäft französische Ware wie etwa Schinken entfernt wurde.
dja
Laurence BENHAMOU / © Agence France-Presse