In einem Jahr werden höchstwahrscheinlich die Verhandlungen über die nächste Bundesregierung noch im vollen Gange sein. Schwarz-Grün, Grün-Rot-Gelb, oder wie auch immer. Die neue Bundesregierung muss die Frage klären, ob jetzt endlich die Zeit für ein echtes Bundeskulturministerium gekommen ist.
Vor dann 23 Jahren wurde das Amt der Beauftragten der Bundesregierung im Bundeskanzleramt geschaffen. Der Deutsche Kulturrat hatte eine Stärkung der Bundeskulturpolitik im Bundestagswahlkampf 1998 gefordert. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte dann noch im Wahlkampf Michael Naumann als ersten Bundeskulturbeauftragten in sein Schattenkabinett berufen.
Mit der Regierungsbildung wurde dann durch die Schaffung des Amtes des Kulturbeauftragten im Bundeskanzleramt ein großer Schritt zu kulturpolitischer Normalität im vereinigten Nachkriegsdeutschland getan.
Am Anfang waren große Widerstände bei den Bundesländern zu überwinden. Rot-Grün startete damals den Neuanfang, die Union überwand ihre anfängliche Zurückhaltung und übernahm den Staffelstab ab 2005. Längst haben auch die meisten Bundesländer ihren Frieden mit der neuen sichtbaren und erfolgreichen Bundeskultur gemacht.
Doch noch immer leisten wir uns eine unzeitgemäße Trennung zwischen der Außen- und der Innenkulturpolitik. Die erste im Auswärtigen Amt, die zweite im Bundeskanzleramt. Wir haben zwei Kulturstaatsministerinnen, eine fürs Innere, die andere fürs Äußere. Und dass, obwohl es immer schwerer wird, die beiden Politikbereiche sinnvoll zu trennen.
Europa prägt die kulturpolitischen Rahmenbedingungen für Deutschland massiv vor, ist die europäische Kulturpolitik Außenkulturpolitik oder Innenkulturpolitik. Oder die Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit und die längst überfällige Rückgabe von Raubkunst: Außen- oder Innenkulturpolitik?
Internationale Handelsabkommen mit ihren weitreichenden Wirkungen auf den gesamte nationalen Kulturbereich: Außen oder Innen? Und die Deutsche Welle, unser Auslandsrundfunk ressortiert nicht im Außenministerium, wie man meinen könnte, sondern im Bundeskanzleramt.
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber von Politik & Kultur.