Egal ob Zeit, FAZ oder Spiegel online, alle sehen den demokratischen Kandidaten Joe Biden vor Trump, allein sein Vorsprung ist unterschiedlich groß. Während Biden bei zeit.de 223 Wahlpersonen bereits auf seiner Seite hat, sind es bei spiegel.de 238. Wie man sich so verzählen kann, ist mir ein Rätsel, aber es beflügelt die Argumente von Trump, ob man es mag oder nicht: entweder ist da was faul beim Zählen oder bei der Objektivität, oder Biden (oh Gott ist der schlecht).
Natürlich ist es absurd, dass Trump die Auszählungen stoppen will, und auch ich hätte lieber den No-Name, oder wie ich in einem Spiegel Video gesehen habe, einen „ reset button“, jedoch sprechen die Fakten eine andere Sprache, und wieder liegt die wahrscheinliche Niederlage der Demokraten an ihrer eigenen Arroganz und ihrem Dilettantismus: wie kann man die Hispanics in Florida nur so sträflich vernachlässigen, sodass dieser überaus wichtige swing State an die Republikaner geht?
Wieder, so scheint es, entscheiden alte weiße Männer über das Wohl einer multipolaren Gesellschaft. In Großbritannien entschieden selbige über den Brexit und diesmal über „four more years“ arbiträrer Politik, die maybe an einigen Stellen nicht falsch ist, aber dessen vergiftete Sprache eine der wichtigsten Nationen der Erde spaltet.
Joe Biden, oder „Hey Joe“, wie Jimmy Hendrix einst sang ist wohl doch „sleepy Joe“. Versöhnend, gewiss und bestimmt loyaler als Trump, aber auch zu wenig aggressiv und forsch. Im Gegensatz zum Blonden Donald, sieht man ihm sein Alter an. Biden ist ein alter Mann und ich kann insofern viele Amerikaner verstehen, dass sie in einer so fragilen Lage keinen Tattergreis die Geschicke ihrer Nation lenken lassen wollen.
Seine Vize, Kamela Harris, wäre mutiger, bissiger und provokanter gewesen. Vielleicht auch genau deshalb chancenloser, aber ein Statement. Biden setzt nur auf Versöhnung und das ist bei derlei frappierenden Unterschieden beinahe unmöglich. Wie soll man Menschen die bereit sind, die Demokratie zu torpedieren mit Menschen zusammen bringen, die auf Konsens aus sind? Wie soll man „proud boys“ zu Hosentaschenfieffies machen, und wie verdammt will man das Problem mit China in den Griff kriegen, wenn der Verantwortliche teilweise sogar die Namen seiner Familienmitglieder vertauscht. Wir hatten so etwas Mal als Bundespräsidenten, „Die Neger sind auch nette Menschen“, Danger Mouse hätte gesagt: Lübke: Schnauze!“
Aber Lübke war ein Grüßonkel und Trump ist Präsident einer der mächtigsten Nationen der Welt mit Vollmachten, von denen eine Merkel nur träumen kann. Und, Trump hat geliefert, ob wir das wahr haben wollen oder nicht, ob es langfristig klug war oder eher weniger: Die Mauer zu Mexiko ist im Bau, die Exportzölle sind Realität, die Einreise wurde erschwert, und vor Corona brummte die amerikanische Wirtschaft wie lange nicht mehr. Natürlich hat das viel mit der Politik von Obama davor zu tun und natürlich ist es blauäugig, Umweltabkommen zu canceln, um die Wirtschaft anzukurbeln, aber sein wir ehrlich, bevor man verhungert, lieber einen dreckigen Job als keinen, so denken zumindest viele in den amerikanischen Südstaaten, die massiv von Umweltauflagen betroffen wären.
Außerdem hat der Donald nicht nur Demokraten angeschissen, sondern auch die Republikaner wie einen Hühnerhaufen aufgescheucht. He drained the swamp! Kein Stuhl steht mehr auf dem anderen und die Welt hat wieder Angst vor den USA. Offensichtlich genau das, was man von einem Präsidenten erwartet hat.
Ich hoffe, dass ich mit meiner Prognose falsch liege und „the reset button“ am Ende gedrückt wird. Aber viel Hoffnung habe ich nicht, denn schon einmal hat George W. Bush im Jahr 2000 die Briefwahlauszählungen mit Erfolg stoppen können. Für die Amerikaner ist der Präsident ein Gott, an dessen Integrität nicht gerüttelt werden darf, auch wenn man mit dem Verschieben von Wahlbezirken seit 2008 von Seiten der Republikaner die Demokraten so klug gebündelt hat, dass sie keine Chance mehr hatten. Das ist fies, ja, aber auch fair (weil für beide Lager möglich) und vor allem clever, denn nur wer ungewöhnliche Wege geht, alles ausprobiert und in Frage stellt, hat das Potential für ein solches Amt.
Offensichtlich sind Lügen und Blödsinn von sich geben, kein zwingender Grund, einen Präsidenten zu entmachten, siehe auch die legendäre Monica Lewinsky Affäre von Bill Clinton, um nur ein Beispiel anzuführen.
Kurz: Auch die so naiven Evangelikalen werden mit ca. 25 Prozent Wähleranteil Trump zurück ins Amt gebracht haben, weshalb ich voller Hoffnung bitte: Gott steh uns bei! Denn, sollte der Alte der neue Präsident sein, muss er sich nicht mehr wegen einer Wiederwahl zurückhalten müssen, jetzt bekommt der Rest der Welt die volle Keule und das wird sehr wehtun.
Bild und Text: adolf.muenstermann@gmail.com
P.S. Und wenn wir Deutschen nicht langsam aufhören, in Europa den Trump zu spielen, fliegt uns bald der Heimatkontinent politisch um die Ohren, was wir uns so oder so, mit nichten leisten können, um global, nicht nur wirtschaftlich relevant zu bleiben.