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Heather, Wodka und John McCain

„America first“, war für vier Jahre das oktroyierte Credo einer Nation, die schon so viel falsch gemacht hat, aber am Ende meist doch den Anstand wieder für sich entdeckte. Vielleicht auch, weil es zumindest in der Vergangenheit immer wieder gute Verlierer gab.

Wie man ein schlechter Verlierer ist, haben wir in den letzten Tagen erlebt, und dieses wird uns auch in den kommenden Wochen, wenn nicht sogar Monaten, wohl noch begleiten. Aber in diesen Sog der beschämenden Charakterlosigkeit werden auch Menschen gezogen, die nicht meine persönlichen politischen Ziele teilen, aber zu Unrecht mit Donald Trump auf eine Stufe gestellt werden. Dabei gab es selten Politiker, die sich in der Niederlage so anständig verhalten haben wie Republikaner.

In einem vorigen Artikel habe ich bereits auf den Abschiedsbrief von George Bush Senior hingewiesen, in dem er sich mit Anstand vom Amt des Präsidenten verabschiedet hat und dem neuen Hausherren, damals Bill Clinton (1992) Respekt zollte und Glück wünschte, aber ein Politiker hat sich einen besonderen Ehrenplatz in der „hall of fame of decent people“ verdient: John McCain,  einer der ehemals besten Freunde des zukünftigen Präsidenten Joe Biden.

Als es 2008 in einer Wahlkampfveranstaltung vor den Anhängern der Republikaner zur Fragerunde der Anwesenden kam, entzog der Präsidentschaftskandidat John McCain einer Anwesenden beschwichtigend das Wort, die mit absurden Ängsten über Barack Obama die Debatte anheizen wollte.

„You don´t have to fear a President Obama, he is a decent man, loving husband and father. Yes indeed, we have some fundamental disagrees but just in political cases […].“ Wohl bemerkt, es ging um seine eigene Präsidentschaft, aber für ihn war es wichtiger, anständig zu bleiben, als um jeden Preis zu gewinnen. Das verstehe ich unter „the American way“.

Joke battle zwischen John McCain und Barack Obama

2017 ist John McCain an einem Gehirntumor gestorben, dem gleichen Krebs, dem auch der Sohn von Joe Biden, einem seiner besten Freunde, kurz vorher erlag. Auf seinen persönlichen Wunsch hielt die Trauerrede übrigens Barack Obama.

In der Tat, Amerika ist ein verrücktes Land, ich durfte mich persönlich davon überzeugen, als ich einige Monate dort verbrachte. Da wurde Wodka nur in Tüten gebilligt, Rauchen auf Straßen mit gelben Linien verboten und ein Bier für 1,5 Dollar mit Kreditkarte auf Pump bezahlt. Aber da bot man mir für eine Unterstützung beim Check- In freie Kost und Logis an und das für eine ganze Woche, damit ich meine Angelegenheiten klären konnte, denn ich hatte meine Kreditkarte verloren. In L.A., mit knapp 24, als „another fuck`n face landlord“ und 10.000 Kilometer von Zuhause.

Damals habe ich auch schon vieles an den Vereinigten Staaten nicht verstanden, aber im Jahr 2000 war die Welt  dennoch eine andere. Der 11. September war nur die kalendarische Notrufnummer 911, der zukünftige Präsident Al Gore, Venice Beach noch ein Hexenkessel der Alternativen und meine amerikanische Freundin hieß Heather (womit ich noch jahrelang gehänselt wurde).

Aber Heather war im positiven Sinne eine echte Amerikanerin. Sie wurde zwar nur versteckt intim, aber dann richtig, kuschelte voller Leidenschaft mit meinem Pullover, als ich mit einem Freund zur Stippvisite nach Las Vegas flog und begrüßte mich mit Herzchen- Luftballons, als ich zurückkam.

Heather war so warmherzig und so leidenschaftlich, dass man es kaum in Worte fassen konnte. In diese Leidenschaft und auch Offenheit, immerhin war ich blauäugiger Deutscher mit blonden Haaren und hieß Adolf, worüber sie nur laut lachen konnte, habe ich mich ebenso verliebt, wie in das typisch rosige Lächeln dieser sexy Blondine.

Ich weiß nicht, was Heather heute macht, ob sie bis vor kurzem noch mit Hängebrüsten Trump-Werbung spazieren führte, oder Biden unterstützte. Aber ich weiß, dass es immer noch „gute“ Amerikaner gibt. Menschen die mit dem Herzen am rechten Fleck für ihre Ideale kämpfen oder die sie zu Tränen rühren, wo man Contenance erwartet. Beispielsweise hier, während eines CNN Interviews mit Van Jones:

Van Jones on CNN

Ich hoffe, dass Joe Biden und Kamala Harris es schaffen, das Gesicht dieses Amerikas, in das ich mich einst verliebte, wieder in die Welt zu tragen. Es ist beschämend, dass eine so moderne Nation, einen Präsidenten Trump hat(te) und stolz darauf ist, im Jahr 2021 den ersten weiblichen „Vice-President“ zu haben, egal welcher Couleur. Selbst wir humorlosen Germans, haben bereits seit 15 Jahren eine Frau an der Spitze und in Großbritannien hatten sie dieses „Phänomen“ schon in den 1970ern mit Maggie Thatcher, auch wenn die eiserne Lady nicht unbedingt ein Paradebeispiel für eine, in meinen Augen, gute Politikerin war.

Das Amerika von morgen soll endlich wieder ein Amerika der Zukunft sein. Ein Land der unbegrenzten (positiven) Möglichkeiten. Ein  Land das mit unkonventionellen Ideen und untypischen Lebenswegen nicht hadert, sondern sie hofiert. Vereinigte Staaten, das steht aus meiner Sicht synonym für Multikulturell. Das Amerika der Träume soll endlich wieder ein Traumland werden, das man zum Vorbild und nicht als Hassobjekt hat.

Es geht mir aber nicht um naive Glorifizierung oder gar AnBIDEruNg, die mir bestimmt der ein oder die andere oder umgekehrt an dieser Stelle vorwirft, sondern um Hoffnung. Als stolze Nation jenseits des Atlantiks stehen die USA wie ein Kopf auf dem kontinentalen Refugium Amerika, auf dass Millionen Mexikaner, Kubaner, Puerto-Ricaner und andere bauen.

In vielen Leben voller Armut und Entbehrungen ist ein Leben in den USA die Hoffnung, die sie Hunger und Durst ertragen lassen, weil sie von einem Leben am „sunset strip“ oder „Big Apple“ träumen. Und diese Träume sollen wahr werden dürfen und können und nicht an einer Mauer oder aufgehetzten und/oder verführten US-Bürgern zerplatzen.

Ein Land, wo Sonntags morgens um fünf der UPS Fahrer die „replacement credit card“ ans Jugendherbegrsbett bringt, Heathers Adolfs lieben und Baracks sowie Kamalas wählen können (und im Idealfall auch machen).

Aber selbst wenn nicht, dann soll man sich als Amerikaner, Migrant und Besucher in einem Land wissen, in dem Diversität erwünscht ist, weil sie in der DNA ihrer Bürger steckt.

Keiner hat es verdient, dass er Angst vor dem Resultat einer Wahl hat, nur weil nicht sein Wunschkandidat gewählt wurde. Nicht in Deutschland, nicht in den USA und an keinem anderen Ort der Welt; und natürlich auch nicht als Bürger einer anderen Nation, die unter einem national anständigen, aber internationalen Kriegstreiber zu leiden fürchten.

Kurz: In einem Land mit Journalisten wie Van Jones, Oppositionellen vom Charakter eines John McCain und Wählerinnen mit dem Humor (und, ich gebe es zu, auch nicht verkehrt: Sex Appeal) von Heather.

Bild: Pixabay

Text: adolf.muenstermann@gmail.com

P.S. Ich habe bewusst die politischen Aspekte, zumindest weitgehend, versucht auszuklammern, um am Ende nicht wieder nur verzweifelt zu schimpfen und zu fluchen. Wir sind hier schließlich nicht bei facebook, twitter oder instagram.