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Helfen mit Herz und Verstand - die Mission auf Gleis 9/12

Seit 1907 öffnet die Bahnhofsmission Münster ihre Türen nun schon für Notleidende auf Reisen und vor Ort. Auch wenn sich die Zeiten und die Gesellschaft gewandelt haben, die Notwendigkeit der direkten Hilfe für die Menschen im und rund um den Bahnhof bleibt.

Auf Herz und Verstand trifft man bereits beim Betreten des kleinen, unscheinbaren Häuschens am Ende des Gleises. Mit offenem Blick und einladendem Lächeln begrüßt, fühlt man sich willkommen und aufgenommen. Das Team besteht zum größten Teil aus ehrenamtlichen Helfern, die ganz offensichtlich nicht nur Spaß bei der Arbeit, sondern auch miteinander haben. 

"Unser Team ist toll" schwärmt Christine Kockmann, Leiterin der Mission. "Hier arbeiten Menschen jeden Alters, aus allen Teilen der Gesellschaft und immer mit individueller Motivation". Ann-Sophie Quandel, Studentin der sozialen Arbeit, nickt und berichtet von ihrem Praktikum, welches mit 640 Stunden Ende Dezember zu Ende geht. "Ich bleibe auf jeden Fall dabei" strahlt sie. "Hier helfe ich nicht nur anderen Menschen. Ich wachse an den Aufgaben und der Blick auf die Not, lässt einen dankbar auf das eigene Leben schauen".

Das Engagement der Ehrenamtlichen war gerade im ersten Corona-Lockdown zwingend nötig. Zwar musste die Bahnhofsmission schließen, helfende Hände waren jedoch in den geöffneten Tagesstationen, wie dem Pfarrer-Eltrop-Heim, mehr als gefragt. Denn nicht nur "alte Bekannte" fanden den Weg zur Hilfe, auch neue Gäste wurden herzlich begrüßt. "Zu uns kam ein freischaffender Künstler, dem alle Einnahmen weggebrochen sind. Ohne Ersparnisse bist Du dann ganz schnell am Limit. Wir konnten ihm zumindest eine warme Mahlzeit servieren. Die erste seit drei Tagen." berichtet Kockmann. 

In der Mission ist jeder willkommen

Seit dem 10. Oktober ist das Team froh, sich wieder in ihrer Mission um die am Bahnhof Gestrandeten kümmern zu können. Der zweite Lockdown führt nicht zur erneuten Schließung. Auch Dank eines durchdachten Hygienekonzeptes, welches von Studenten und Studentinnen wie Ann-Sophie erarbeitet wurde. So dürfen sich zurzeit statt 15 Personen nur 5 Personen in der Mission aufhalten. Die Verweildauer ist auf 30 Minuten beschränkt. Dies wird gerade jetzt in der kalten Jahreszeit problematisch. Die Wohnungslosen, die ihre Nacht auf Platte -also draußen - verbracht haben, werden vorrangig in die warme Stube geladen. Trotzdem finden die, von den im Bahnhof ansässigen Bäckereien, gespendeten Lebensmittel oder die von der Flaschenpost kostenfrei gelieferten Getränke ihren Weg zu den Menschen in Not. "Wir gehen vermehrt raus und verteilen kleine Care-Pakete. Auch die "Szene" am Bremer Platz freut sich über einen warmen Kaffee oder ein Brötchen" erzählt Quandel. 

Die Aufgaben der Bahnhofsmission reichen von der akuten Hilfe für müde, orientierungslose, hungrige oder bestohlende Reisende, bis hin zur existentiellen Hilfe für Menschen im Abseits. Manchmal hilft schon ein Kaffee, manchmal die zielgerichtete Weitervermittlung an den richtigen Ansprechpartner, die richtige Adresse. Wichtiger ist oft ein offenes Ohr, ein Gespräch, ein bisschen Zeit. "Kein Tag ist wie der andere. Wir wissen nie, welche Schicksale wir heute kennenlernen oder welche Geschichten wir morgen erfahren. Es hat doch jeder Reisende, der hier aus-, zu- oder umsteigt, eine eigene Vita und manchmal lernen wir diese kennen." erzählt Christine Kockmann. Wie die Frau mit der Panikattacke, die in der Vergangenheit sexuelle Gewalt erleben musste. Sie fand den Weg in die Bahnhofsmission und traf auf die junge Studentin Ann Sophie. Eine Begegnung, die in Erinnerung bleibt, weil sie berührt. "Natürlich können wir das eigentliche Problem nicht lösen, aber wir konnten zuhören, mitfühlen und letztlich akut helfen, indem wir eine Vertrauensperson kontaktierten, die diese Frau sicher auf ihrer weiteren Reise begleiten konnte."


Gleis 9/12 Hier finden auch Reisende Hilfe

Die Bahnhofsmission Münster mit ihren circa 70 geschulten, ehrenamtlichen Helfern leistet niederschwellige soziale Arbeit. Die Dienste sind kostenfrei, unbürokratisch und waren vor Corona anonym. Die Schwerpunkte spiegeln auch immer ein Stück Zeitgeschehen. Gegründet wurde die Bahnhofsmission als Hilfe für junge Frauen, die während der Industrialisierung vermehrt zur Arbeit in die Städte kamen. 2015 prägte der Flüchtlingsstrom die Arbeit, als ganze Familien relativ unorganisiert quer durch die Republik geschickt wurden. Auch die Herausforderungen dieses Winters in Corona-Zeiten wird das Team meistern. Denn ob alle Wohnungslosen und Hilfesuchenden den Weg in die Wartburgschule finden, die als Ersatz für die Zeltstadt eingerichtet wird, ist zweifelhaft.

Eines ist sicher: auf Gleis 9/12 steht ein tolles Team bereit. Bereit zu helfen. Mit Herz und Verstand!

Wer sich engagieren möchte, findet hier entsprechende Informationen: https://www.bahnhofsmission.de/index.php?id=mitarbeiten

Fotos: Christiane Gasche