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Koalition vertagt Spitzentreffen zur Grundrente

Beide Seiten wiesen am Sonntag auf ungeklärte Fragen hin, die trotz Fortschritten in den Verhandlungen noch nicht gelöst seien. Als neuen Termin für das Treffen des Koalitionsausschusses bestimmten sie den 10. November

Die Streit um die Grundrente stellt die Handlungsfähigkeit der großen Koalition auf eine harte Probe. Union und SPD vertagten ein für Montagabend geplantes Spitzentreffen, das eigentlich eine Einigung in dem monatelangen Streit bringen sollte. Beide Seiten wiesen am Sonntag auf ungeklärte Fragen hin, die trotz Fortschritten in den Verhandlungen noch nicht gelöst seien. Als neuen Termin für das Treffen des Koalitionsausschusses bestimmten sie den 10. November.

Ein CDU-Sprecher verwies auf "offene Punkte, die im Laufe der Woche sorgfältig geklärt werden" müssten. Auch ein SPD-Sprecher machte weiteren "Klärungsbedarf" geltend. Beide betonten zugleich, dass es durchaus Bewegung in die richtige Richtung gebe.

"Die SPD bleibt zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommt", erklärte ihr Sprecher. Der CDU-Sprecher sagte, die Arbeitsgruppe der Fachpolitiker in der Koalition habe "wichtige Vorarbeiten geleistet und Positionen aufeinander zubewegt".

Ursprünglich war geplant, dass die Spitzen von Parteien und Fraktionen am Montagabend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den monatelangen Streit um die Ausgestaltung der Grundrente beilegen. Am Wochenende war allerdings klar geworden, dass die Positionen noch auseinanderliegen.

Dies betrifft insbesondere die Frage, welche finanziellen Voraussetzungen Rentner mit niedrigen Ruhestandsbezügen für den Erhalt der staatlichen Zusatzleistung erfüllen müssen. Die Union argumentiert, die Grundrente solle nur nach Prüfung der individuellen Bedürftigkeit ausgezahlt werden - so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Die SPD lehnt eine solche Prüfung ab, was den Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich vergrößert.

Als Kompromisslinie zeichnete sich am Wochenende ab, die Auszahlung der Grundrente vom Einkommen der Rentner abhängig zu machen, nicht von einer Prüfung der Bedürftigkeit, in die ihr gesamtes Vermögen mit einbezogen würde. Dagegen regte sich allerdings in der Unionsfraktion Widerstand.

Eine "entscheidende Rolle" bei dem angestrebten Kompromiss werde der Prüfung des Einkommens zufallen, erklärte CDU-Verhandlungsführer Hermann Gröhe am Samstag. Dabei solle bei Ehepaaren auch das Einkommen des Partners berücksichtigt werden, nicht jedoch selbst genutztes Wohneigentum. Gröhe sprach nicht mehr von einer Bedürftigkeitsprüfung, sondern von einer "am tatsächlichen Bedarf ausgerichteten Ausgestaltung einer Grundrente". 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich am Samstag mit drei Bedingungen für eine Grundrenten-Einigung zu Wort gemeldet. Erste Bedingung sei eine "harte Einkommensprüfung als Bedürftigkeitsprüfung", schrieb Spahn auf Twitter. Sie solle sicherstellen, "dass nur Rentner unterstützt werden, die trotz mehr als 35 Jahren Arbeit sehr wenig zum Leben haben".

Spahn nannte als zweite Bedingung eine Begrenzung der Gesamtausgaben, wobei er keine konkrete Summe erwähnte. Drittens forderte er Maßnahmen zur Konjunkturförderung - etwa eine Senkung der Unternehmenssteuer.

Zu den großen Knackpunkten in der Koalition zählt die Frage, welche Kosten die Grundrente jährlich verursachen darf. Die Koalition will diese Frage als Chefsache behandeln: Die Entscheidung solle den Spitzen von Partei und Fraktion im Koalitionsausschuss zur Entscheidung überlassen werden, kündigte Gröhe am Samstag an. 

Im Mai hatte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen Entwurf vorgelegt, wonach rund drei Millionen Menschen Grundrente beziehen sollten. Er rechnet mit Kosten von jährlich 4,8 Milliarden Euro bis 2025. Die Union will Kosten und Zahl der Anspruchsberechtigten deutlich enger fassen.

Die große Koalition steht in der Grundrenten-Frage unter Druck. Ein Scheitern der Verhandlungen würde ihre Handlungsfähigkeit in Frage stellen und in der SPD jene Kräfte stärken, die einen Ausstieg aus der Koalition wollen.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg beharrte auf der Bedürftigkeitsprüfung. Eine Einkommensprüfung "über den Steuerbescheid des Finanzamts überzeugt uns nicht", sagte Rehberg der "Bild". "Viele Rentner müssten dafür erstmals eine Steuererklärung abgeben."

pw/jes

© Agence France-Presse

Foto: dpa/picture-alliance