Münster - Das Von Hippel-Lindau-Syndrom ist nur wenigen Menschen überhaupt und auch längst nicht allen Ärzten bekannt. Der Gendefekt wird mit einer Wahrscheinlicht von 50 Prozent vererbt und kann an verschiedensten Organen zu Tumoren führen. Oft sind Augen, Gehirn, Rückenmark oder (Neben-)Nieren betroffen.
Eine Heilung gibt es bislang nicht. Das Syndrom ist noch so wenig erforscht, dass eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe des UKM (Universitätsklinikum Münster) nun in einem Forschungsprojekt mehr zu Ursachen und Bekämpfung der Erkrankung herausfinden will.
Jan Knabbe ist einer der Menschen, die sich aus der Perspektive eines Betroffenen für die Erforschung des Syndroms einsetzen. Seine Frau ist Trägerin des für die Erkrankung und Vererbung verantwortlichen defekten Gens. Erste Krankheitssymptome zeigten sich mit Mitte zwanzig. „Leider haben sowohl mein Sohn als auch meine Tochter die Krankheit geerbt“, so Knabbe.
Was die junge Familie belastet, sind die ständigen Operationen, die das Leben der Ehefrau und Mutter prägen. „Meinen Kindern möchte ich dieses Schicksal ersparen“, sagt der 36-Jährige. „Die physischen und psychischen Belastungen, denen VHL-Betroffene ausgesetzt sind, sind enorm – jährlich warten auf die Patienten viele Kontrolluntersuchungen, um ein Fortschreiten der Erkrankung schnell zu erkennen. Oft folgen Operationen“, unterstreicht Dr. Markus Holling, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurochirurgie am UKM und Leiter der VHL-Ambulanz.
Um dem Schicksal seiner Frau nicht tatenlos zusehen zu müssen, beschloss Jan Knabbe, sich für das Forschungsvorhaben einer von Holling geleiteten interdisziplinären Arbeitsgruppe am UKM einsetzen zu wollen: „Mir ist es wichtig, dass ich ein Projekt unterstütze, das einen praktischen Effekt hat. Den sehe ich am UKM vor allem durch die Betrachtung unter verschiedenen medizinischen und naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten“, begründet er.
Um die dafür nötigen Gelder in Form von Spenden einzusammeln, lief Knabbe Ende Juni rund um seine Heimatstadt Bad Kreuznach einen Halbmarathon unter dem Motto „I run, you donate – for VHL disease research“. Mit Hilfe von Freunden, Bekannten und Unterstützern sammelte er insgesamt rund 15.000 Euro.
Der Verein „VHL (von Hippel-Lindau) betroffene Familien e.V.“, ein Selbsthilfenetzwerk von Betroffenen, gab seinerseits zweckgebunden weitere 7.500 Euro für das Forschungsprojekt dazu. „Wir sind darauf angewiesen, dass sich Wissenschaftler mit der Erkrankung beschäftigen, damit wir irgendwann bessere Möglichkeiten der Therapie haben, um unsere Lebensqualität so lange wie es geht zu erhalten“, betont Dagmar Rath, Vorsitzende des Vereins und selbst betroffen. Die Spendencheckübergabe über insgesamt 22.500 Euro erfolgte im Oktober am UKM.
Im Speziellen arbeitet die Forschungsgruppe nun mit Hochdruck daran, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten des VHL-Syndroms besser zu erforschen. So untersucht Holling zusammen mit seinem neurochirurgischen Kollegen Dr. Michael Müther und Dr. Christian Thomas aus dem Institut für Neuropathologie das Erbgut der Tumorzellen. „Uns interessieren spezielle Markierungen an der DNA, sogenannte Methylierungen, also Abänderungen an den Grundbausteinen der Erbsubstanz“, erklärt der Neuropathologe Thomas.
Mit der verhältnismäßig neuen „850k-Methode“ können während einer Untersuchung bis zu 850.000 Methylierungen überprüft werden. Aus dem sich ergebenden Muster könnten unter Einbeziehung der klinischen Daten dann Prognosen zum weiteren Verlauf getroffen werden. Die Gruppe erhofft sich einen Therapieansatz, wie er bereits für anderen Hirntumore vorliegt. Erste Ergebnisse werden schon Anfang Dezember erwartet.
Quelle: UKM/ aw
Foto: UKM/Marschalkowski/ Spendenübergabe für das von-Hippel-Lindau-Projekt: (v.l.) Dr. Christian Thomas, die Vorsitzende des Selbsthilfevereins Dagmar Rath, Neurochirurg Dr. Markus Holling, Spender Jan Knabbe und Anne Albers (Neuropathologie).