Münster - Prof. Michael Hippler arbeitet seit seiner Zeit als Postdoc in Genf mit der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Mit Wasserstoff beschäftigte er sich erst später, mittlerweile seit etwa zehn Jahren. Heute unterstützt das Land NRW sein Projekt. Denn die Synthese von Wasserstoff ist nicht nur für Biologen interessant: Sie könnte von großer Bedeutung für die Energiewende sein.
Die Grundlagen: Wie funktioniert die Wasserstoffsynthese aus Algen?
Bestimmte Algen produzieren unter Sauerstoffmangel Wasserstoff. An der einzelligen Grünalge Chlamydomonas reinhardtii ist dieser Mechanismus besonders gut erforscht. C. reinhardtii kommt unter natürlichen Bedingungen in feuchter Erde vor, wo sich Mikroorganismen tummeln, die Sauerstoff veratmen und gelegentlich für anoxische Bedingungen sorgen. Dass die Grünalge diesen Stress überlebt und auch unter diesen Umständen Photosynthese betreiben kann, verdankt sie einem alternativen Stoffwechselweg:
Im Zentrum steht ein Enzym, das viele Algen besitzen: Die Hydrogenase. Sie ist empfindlich für Sauerstoff und wird bei dessen Abwesenheit exprimiert. Das Enzym wandelt Protonen und Elektronen in molekularen Wasserstoff (H2) um, welcher für die Alge nur ein Abfallprodukt darstellt. Dadurch dass die Hydrogenase überschüssige Elektronen abgreift, reguliert sie das Redox-Gleichgewicht in den Chloroplasten und erlaubt die CO2-Fixierung.
Die Forschung: Wie lässt sich die Wasserstoff-Synthese von Algen steigern?
Prof. Hippler und seine Forschungsgruppe kundschaften Möglichkeiten aus, die Wasserstoffsynthese anzukurbeln. Dabei greifen sie in die genetische Information des Modellorganismus ein. Das Genom von C. reinhardtii wurde 2007 vollständig sequenziert, sodass die Forscher nun gezielt Gene ausschalten können, die den Elektronentransfer regulieren.
Sind die Regulatoren ausgeschaltet, strömt eine größere Anzahl Elektronen durch die Kette. Die Hydrogenase wandelt diese vermehrt um – und die H2-Syntheserate steigt. Werden allerdings mehr Elektronen produziert als verbraucht, entstehen sogenannte Reaktive Sauerstoffspezies. Diese richten in der Zelle Schaden an, wovon auch der Fotosynthese-Apparat betroffen ist. Derartige „Spielereien“, wie Prof. Hippler die Genmanipulationen nennt, führen also nur kurzzeitig zu einer gesteigerten H2-Syntheserate.
Die Wissenschaftler bedienen sie sich eines Kniffs: genetisch veränderte Stämme von C. reinhardtii können auch unter Anwesenheit von Sauerstoff in der Umgebung H2 produzieren, wenn die Zellen in Nährstoffmangel versetzt werden. Entzieht man ihrem Medium etwa Schwefel, sinkt die Fotosynthese-Rate und die Algen produzieren geringere Mengen Sauerstoff. Die Atmung bleibt dabei in Takt. Dieser selbstausgelöste Mangel an Sauerstoff führt zur H2-Synthese.
Die Vision: Sind Algen die Wasserstoff-Produzenten der Zukunft?
Wasserstoff ist ein vielversprechender Energieträger. Algen wären eine Möglichkeit, grünen Wasserstoff zu gewinnen. Ein Liter einer Kultur des Wildtyps C. reinhardtii produziert in einer Woche etwa 100 ml H2. Diese Mengen sind weit davon entfernt, wirtschaftlich zu sein. Doch mithilfe genveränderter Stämme lassen sich die Raten deutlich steigern.
Um 2010, erzählt Prof. Hippler, habe die Syntheserate bei genoptimierten Stämmen zwischen 200 und 400 ml H2 pro Liter Algenkultur betragen. Seitdem ist viel passiert: Die aktuellen Algenkulturen der Arbeitsgruppe produzieren etwa einen Liter Wasserstoff pro Liter Kultur.
Dennoch ist die Menge bisher nicht wirtschaftlich. Dafür müsste sich die Produktionsrate noch einmal um den Faktor 2-3 erhöhen. Um dies zu erreichen, sei nicht nur weitere Grundlagenforschung in Bezug auf Genoptimierung nötig. Prof. Hippler zufolge sind vor allem neue Verfahren sowie eine günstige Algenbiomasse der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg.
Ein neues Verfahren, das die Arbeitsgruppe von Prof. Hippler zusammen mit Kollegen der Tel Aviv Universität (TAU) in Israel um Prof. Yacoby entwickelt hat und das von TAU und WWU zur Patentierung eingereicht wurde, erlaubt die H2-Produktion in nährstoffreichem Medium mit einem genetisch-veränderten C. reinhardtii-Stamm. Dieses Verfahren ist deutlich einfacher umzusetzen, da die Algen nicht in Nährstoffmangel überführt werden müssen, erlaubt aber ähnliche H2-Produktionsraten wie unter Nährstoffmangel.
Prof. Hippler zeigt sich vorsichtig optimistisch: Die notwendige Menge an Wasserstoff, um wirtschaftlich zu sein, sei gar nicht mehr so weit entfernt.
Foto: Prof. Michael Hippler