Nach dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 des Mainzer Impfstoffentwicklers Biontech hat jetzt offenbar auch die Vakzine mRNA-1273 des US-Herstellers Moderna in einer laufenden Phase-3-Studie eine hohe Schutzwirkung gegen COVID-19 erzielt. Der Hersteller gibt die Effektivität mit 94,5 % an. Schwere Erkrankungen wurden gänzlich vermieden. Die Verträglichkeit scheint gut zu sein.
Das in Cambridge/Massachusetts ansässige Unternehmen hat mRNA-1273 zusammen mit dem US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAD) entwickelt. Das NIAID hatte das Gen für das SARS-CoV-2-Spike-Immunogen ausgewählt, der Hersteller Moderna hat daraus einen mRNA-Impfstoff entwickelt.
In der Phase-3-Studie COVE wurden seit dem 27. Juli an 100 US-Zentren mehr als 30.000 Personen im Abstand von 4 Wochen 2 Mal intramuskulär mit mRNA-1273 oder einem Placebo geimpft.
Hoher Anteil an vulnerablen Gruppen in der Studie
Die Studie hatte einen hohen Anteil von älteren Personen sowie jüngeren Menschen, die wegen eines Diabetes, einer Adipositas oder Herzerkrankungen im Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 ein erhöhtes Risiko auf einen schweren Verlauf von COVID-19 haben. Etwa 40 % der Teilnehmer waren Afroamerikaner oder Angehörige anderer Minderheiten, die in den USA besonders stark von der Epidemie betroffen sind.
Der primäre Endpunkt der Studie war der Anteil der Personen, bei denen ab dem 30. Tag nach der 2. Impfdosis COVID-19 diagnostiziert wurde. Dies war laut der Analyse eines unabhängigen Daten- und Sicherheitsüberwachungsgremiums (DSMB) vom gestrigen 15. November 2020 erst bei 95 Personen der Fall, von denen 90 eine Placeboimpfung erhalten hatten.
Dies ergibt nach einer ersten Analyse eine Effektivität von 94,5 %, die mit einem p-Wert von 0,0001 statistisch hoch signifikant ausfiel. Auch wenn die Ergebnisse noch nicht publiziert sind, dürfte es damit keine Zweifel an der Wirksamkeit geben.
Ein sekundärer Endpunkt war die Zahl der schweren Erkrankungen. Laut der Pressemitteilung hat es bisher 11 schwere Fälle gegeben, alle sollen in der Placebogruppe aufgetreten sein.
Unter den 95 COVID-19-Fällen waren 15 ältere Erwachsene (über 65 Jahre) und 20 Teilnehmer aus den ethnischen Risikogruppen (darunter 12 spanische oder lateinamerikanische, 4 schwarze oder afroamerikanische Amerikaner, 3 asiatische Amerikaner und 1 Person gemischter Herkunft).
Hersteller plant Eilantrag auf Zulassung
Laut der Pressemitteilung sind keine ernsthaften Sicherheitsprobleme aufgetreten. Auch die Verträglichkeit des Impfstoffes scheint recht gut zu sein. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse vom Grad 3 (schwer) waren Schmerzen an der Injektionsstelle (2,7 % nach der ersten Impfung und 9,7 % nach der zweiten Impfung), Abgeschlagenheit (9,7 %), Myalgie (8,9 %) und Arthralgie (5,2 %), Kopfschmerzen (4,5 %), Schmerzen (4,1 %) sowie ein Erythem an der Injektionsstelle (2,0 %). Die meisten Nebenwirkungen waren laut der Pressemitteilung nur von kurzer Dauer.
Der Hersteller will aufgrund der Ergebnisse bei der US-Arzneimittelbehörde FDA einen Eilantrag auf Zulassung stellen.
Zudem wurde bekannt, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA ein „Rolling Review“-Verfahren zu dem Moderna-Impfstoff beginnt, das eine vergleichsweise rasche Zulassung zum Ziel hat.
Moderna kündigte an, in den USA bis Ende des Jahres rund 20 Millionen Dosen mRNA-1273 versandbereit herstellen zu können. Im nächsten Jahr könnten dann zwischen 500 Millionen und 1 Milliarde Dosen produziert werden. Impfstoffe auf mRNA-Basis lassen sich wesentlich schneller herstellen als konventionelle Impfstoffe. Bislang wurde allerdings kein einziger Impfstoff dieser Art zugelassen.
Dass innerhalb von 1 Woche 2 Hersteller eines mRNA-Impfstoffes über eine hohe Schutzwirkung berichten, wird von den Experten als gutes Omen für die Vielzahl der weiteren Impfstoffe gewertet, die sich derzeit in der klinischen Prüfung befinden.
Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln, findet es sehr erfreulich, dass alle schweren COVID-19-Fälle in der Placebogruppe auftraten. Das sei – „bei aller Vorsicht angesichts der kleinen Zahl – ein erster möglicher Hinweis darauf, dass der Impfstoff zum einen vor der Infektion selbst, zum anderen aber auch vor schweren Verläufen schützen könnte“.
Auch Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe
Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité,
spricht von einer „erneut sehr ermutigenden Nachricht“. Es scheine sich
zu bestätigen, dass mRNA-Impfstoffe relativ sicher seien. Der hohe
Anteil von Personen mit erhöhtem Risiko in der COVE-Studie lasse gewisse
Rückschlüsse auf eine Wirksamkeit bei den besonders gefährdeten
Gruppen wie zum Beispiel älteren Personen zu.
Quelle: rme/aerzteblatt.de
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