Die Trinkwasserversorgung angesichts des Wachstums von Städten sichern: An neuen Technologien dafür werden die Informatik-Professorin Dr. Barbara Hammer von der Universität Bielefeld und drei weitere europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen. Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert die vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihr Projekt Water-Futures mit seinem Synergy Grant - einer der höchstdotierten Forschungsförderungen der Europäischen Union. Die vier Forschenden erhalten insgesamt zehn Millionen Euro für die kommenden sechs Jahre, davon gehen 2,4 Millionen Euro an die Universität Bielefeld.
Zum Forschungskonsortium gehören neben Barbara Hammer: Informatik-Professor Dr. Marios Polycarpou von der Universität Zypern, Wirtschaftswissenschaftlerin Professorin Dr. Phoebe Koundouri von der griechischen Wirtschaftsuniversität Athen und Informatik-Professor Dr. Dragan Savić vom niederländischen Wasserforschungsinstitut KWR.
"Barbara Hammer und ihre drei Mitstreiter/innen haben sich mit ihrem Projektantrag gegen große Konkurrenz durchgesetzt. Das ist ein beeindruckender Erfolg und ich gratuliere Barbara Hammer herzlich dazu", sagt Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld. "Barbara Hammer zeigt mit dieser Leistung, dass sie in ihrem Forschungszweig, dem maschinellen Lernen, zu den international herausragenden Wissenschaftler/innen gehört. Gemeinsam mit Marios Polycarpou, Phoebe Koundouri und Dragan Savić widmet sie sich einem Thema, das höchst bedeutsam für das Leben in unseren Städten ist. Ich bin sicher: Indem die vier Forschenden sich mit ihren Stärken ergänzen, werden sie zu weitreichenden Erkenntnissen und Lösungen rund um die Trinkwasserversorgung gelangen."
Wasser-Infrastruktur mit kontrollierbarer künstlicher Intelligenz sichern
Das mit dem Synergy Grant geförderte Projekt heißt mit vollem Titel "Smart Water Futures: Designing the Next Generation of Urban Drinking Water Systems" und zielt damit auf das Design der nächsten Generation intelligenter urbaner Trinkwassersysteme. Die Förderung läuft ab Mitte 2021 für sechs Jahre.
Die vier Mitglieder des Konsortiums forschen dazu,
wie sich die Trinkwasserversorgung in Städten trotz steigenden
Wasserbedarfs zuverlässig sichern lässt, und entwickeln dafür neue
technologische Methoden. "Die Trinkwasserversorgung ist eine kritische
Infrastruktur, von der das Wohlergehen der Menschen einer Stadt
abhängt", sagt Barbara Hammer. "Wasserreinigungs- und Verteilungssysteme
sind komplexe Netzwerke. Wir wollen mit unserem Projekt dafür sorgen,
dass sie störungsfrei laufen - sowohl kurz- und langfristig."
Der kurzfristige Betrieb kann zum Beispiel durch Ereignisse wie derzeit die Covid-19-Pandemie beeinflusst werden. Sie führt dazu, dass tagsüber mehr Wasser in Haushalten mit Homeoffice und weniger in Firmen benötigt wird. Die langfristige Planung der Wasser-Infrastruktur hängt etwa davon ab, wie sich die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner einer Stadt entwickelt, und wird außerdem vom Klimawandel beeinflusst - etwa wenn, wie in den vergangenen Jahren häufiger, Dürresommer auftreten.
Barbara Hammer und ihre Arbeitsgruppe befassen sich in dem Projekt insbesondere mit dem Erklärbaren Maschinellen Lernen für räumlich-zeitliche Daten. "Wir entwickeln Methoden für Technologie, die kontrollierbar und auf ihrer Nutzer/innen ausgerichtet ist", sagt die Informatikerin. "Die Entscheidungen von technischen Systemen müssen nachvollziehbar sein."
Dafür müssen die Systeme - anders als sonst bei Maschinenlernen üblich - Modelle und Berechnungen aufführen können, auf denen ihre Prognosen beruhen. "So müssen beispielsweise Wasserwerkbetreiber/innen nicht blind auf die Angaben des Computers vertrauen, sondern können dank der zusätzlichen Informationen eigene Entscheidungen fällen."
Die neuen Methoden aus Hammers Forschungsgruppe sollen künftig solche Faktoren und Situationen erkennen helfen, die das Trinkwassersystem belasten. "Erst so wird es möglich, die Trinkwasserversorgung langfristig darauf auszurichten." Für Trinkwassernetzwerke wird eine Vielzahl von Sensoren eingesetzt, etwa um Keimbelastungen oder Rohrlecks festzustellen.
"Wir arbeiten daher auch an Algorithmen, die bisher unbekannte und möglicherweise kritische Situationen aus den ermittelten Daten errechnen", sagt Barbara Hammer. Die neue Technologie soll Betreiberinnen und Betreibern zudem ermöglichen, im Voraus zu ermitteln, welche Effekte unterschiedliche Strategien - etwa die Preispolitik - auf das Verhalten der Kundinnen und Kunden haben.
Seit 2010 Wissenschaftlerin an der Universität Bielefeld
Barbara Hammer schloss ihr Diplom in Mathematik an der Universität Osnabrück ab. Sie promovierte in Informatik (mit Auszeichnung), ebenfalls an der Universität Osnabrück, wo sie sich anschließend habilitierte. 2004 trat sie eine Professur an der Technischen Universität Clausthal an. 2010 nahm sie den Ruf an die Universität Bielefeld an.
Sie ist Professorin für Maschinelles Lernen und leitet an der Technischen Fakultät die Forschungsgruppe zu diesem Gebiet. Barbara Hammer ist Leiterin des standortübergreifenden Graduiertenkollegs Data NInJA, das erforscht, wie sich komplexe Abläufe im privaten und beruflichen Alltag mit KI vereinfachen lassen.
Sie forscht am neuen Joint Artificial Intelligence Institute (JAII) der Universitäten Bielefeld und Paderborn. Sie ist außerdem Mitglied des Instituts CITEC der Universität Bielefeld, das zu kognitiver Interaktionstechnologie forscht, sowie des CoR-Lab, dem Forschungsinstitut für Kognition und Robotik der Universität Bielefeld.
Der ERC Synergy Grant
Der Europäische Forschungsrat (ERC) vergibt seinen Synergy Grant an eine Gruppe aus zwei bis vier exzellenten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler oder etablierten aktiven Forschende mit herausragenden wissenschaftlichen Leistungen. Mit dem Grant wird ihre Forschung über zu sechs Jahre in der Regel mit bis zu zehn Millionen Euro gefördert. Die Projekte sollen ausschließlich möglich sein, indem die antragsstellenden Forschenden zusammenarbeiten. Sie sollen zu Entdeckungen an den Schnittstellen zwischen etablierten Disziplinen und zu bedeutsamen Fortschritten an den Grenzen des Wissens führen. Sie zeichnen sich durch neue Methoden und Techniken oder auch ungewöhnliche Herangehensweisen aus. Die Erfolgsquote der aktuellen Ausschreibung lag bei acht Prozent. "Dass wir trotz des starken Wettbewerbs um die Förderung erfolgreich waren, habe ich hier an der Universität Bielefeld auch der exzellenten Unterstützung des Dezernats Forschungsförderung und Transfer zu verdanken", sagt Barbara Hammer.
Quelle: Uni Bielefeld
Foto: Uni Bielefled/ S. Janek