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Messer an der Kehle der Tugend

1931 machte der renommierte Filmemacher Fritz Lang einen seiner prominentesten Filme: "M – eine Stadt sucht einen Mörder". Was macht diesen Film aber heute so sehenswert?


In dem revolutionären Filmgeschehen wird das Berlin der ausgehenden „goldenen“ 20er Jahre und beginnenden 30er zum Schauplatz einer schrecklichen Verbrechenshäufung. Immer wieder verschwinden Kinder von den Straßen, ohne dass man sie je wieder sah. Über viele Monate häufen sich die Straftaten des Grauens, ohne dass die Polizei nennenswerte Erfolge vorweisen kann, bis sich die Unterwelt der Sache annimmt und am Täter Lynchjustiz zu vollziehen im Begriff ist, als schlussendlich doch die Polizei eingreift.  

Was als erstes auffällt, ist, dass die Polizei beinahe die ganze Zeit im Dunkeln tappt, was auch dergestalt untermalt und dargestellt wird, dass die Staatsfunktionäre beim 24/7 Dienst zeigt: essend, schlafend, an Details aufgeilend und natürlich auch trinkend. Es scheint kein besonderes Interesse an der Aufklärung zu bestehen, obwohl die Unkenrufe aus der Bevölkerung immer lauter werden.

 

Wer sich da an heute erinnert fühlt, wird noch in einem weiteren Detail bestätigt: Propaganda. Wir sehen, dass bereits zu Beginn der 1930er Jahre sogar Fußwegübergangsstellen für Schüler von der B.Z. (Berliner Zeitung) gesponsert wurden, dass Polizisten von Bussen hinabsteigen, dessen Außentreppen Kaugummiwerbung tragen und sich sogar der Täter genötigt fühlt, die Presse einzuschalten, um auf sich aufmerksam zu machen, da er der Polizei nur wenig zutraut.

 

Und die Propaganda trägt Früchte, jeder beschuldigt jeden und eine omnipräsente angst und Ohnmacht wie zu Zeiten willkürlicher Verhaftungen wenige Jahre später, konnotiert die gesamte Stimmungslage in der damals 4,5 Millionen Einwohner zählenden Stadt. Erst als eine Intensivierung hilfloser Razzien der Staatsorgane nicht nur den Ruf sondern auch die Geschäfte der Unterwelt tangiert, wird diese tätig und mobilisiert alle Obdachlosen der Stadt, Augen und Ohren offen zu halten. Mit Erfolg.

Der Täter wird gefasst und vor ein „privates Gericht gestellt“. Hier berichtet der Kindsmörder von dem geistigen Drang, der Notwendigkeit, töten zu müssen, der er nicht entrinnen kann. „Erst wenn ich es getan habe, hört es einen Moment auf“, sagt „M“ der Täter, dessen Namen daher rührt, dass ein „Homeless“ dem Beschuldigten zur besseren Identifizierung heimlich mit Kreide den Abdruck eines „M“ auf das Schulterblatt drückt.

 

Für die „Richter ist der Fall klar: wer töten muss, muss getötet werden, aber sein „Anwalt“ meint, wenig erfolgreich, dass die Notwendigkeit ihn freisprechen müsse. Nicht von der Separierung, um weitere Taten zu verhindern, aber von der Strafe Haft oder Tot, weil er eben nicht aus freien Stücken, also aufgrund niederer Beweggründe agiert.

   

Es ist also nicht beispielsweise die unspektakuläre (ich favorisiere „unaufdringliche“) Kamera, auch wenn die Schnitte, häufiger sind als bei Vorgängerwerken wie Metropolis, vom Ton einmal völlig abgesehen, die den Film zu etwas besonderem machen. Es ist die Modernität der Geschichte im beinahe prophetischen Narrativ, die an ähnliche musikalische Impulse aus seinem Werk von 1927 (Metropolis) erinnert.

 

Fritz Lang war ein Pionier, was auch die Fragmentarisierung seiner Filme zu unterstreichen scheint. Metropolis wurde erst 2011 mit Fragmenten aus Argentinien wieder hergestellt und „M“ ist in diversen Schnittversionen weltweit aufgeführt worden.

 

Der Meister von gestern war ein Prophet der Moderne und muss deshalb in einem atemzug mit George Orwell (schöne neue welt) und aldust Huxley (1984) genannt werden. Auch Lang, duytopiert die Zukunft und rüttelt an manifestierten Moralvorstellungen. Auch er legt uns das Messer an die Kehle der Tugend: wie ernst meine ich es mit der Moral.

 

Ganz großes Kino!

 

Bild: Pixabay

Text: adolf.muenstermann@gmail.com


P.S.Die remasterte Version ist direkt in der Mediathek vom BR kostenrei anzusehen.