Nach den Morddrohungen gegen die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth hat Parteichef Robert Habeck die demokratischen Parteien davor gewarnt, sich von Rechtsextremisten und Gewalttätern einschüchtern zu lassen. "Wenn man angstgetrieben Politik macht, hat man schon verloren", sagte Habeck der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstagsausgabe). Er erinnerte daran, dass auch er selbst kürzlich eine Morddrohung erhalten habe.
"Für viele Grüne, wie für viele aus anderen Parteien auch, ist das Leben mit Bedrohung inzwischen Alltag geworden", sagte Habeck der "SZ" weiter. Viele Nachrichten, die in letzter Zeit bei Grünen-Politikern eingingen, seien in hohem Maße aggressiv. Die Absender hätten "jede Scham und jede Hemmung verloren". Noch stärker als Bundespolitiker sind laut Habeck aber engagierte Menschen in der Kommunalpolitik oder in Vereinen solchen Bedrohungen ausgesetzt.
Zu den Morddrohungen gegen ihn selbst während des Landtagswahlkampfs in Thüringen sagte der Grünen-Chef: "Für mich gilt, glaube ich, was für viele gilt: Man versucht, das aus dem Kopf zu kriegen." Meistens gelinge ihm das auch. Ein Grund zum Rückzug dürften solche Einschüchterungsversuche jedenfalls nicht sein.
Der Wahlkampf in Thüringen habe aus seiner Sicht gezeigt, dass die gesellschaftliche Polarisierung noch weiter gewachsen sei, sagte Habeck weiter. "Ich gebe zu, es gibt bei mir eine gewisse Ratlosigkeit, dass es trotz aller Versuche demokratischer Parteien nicht gelungen ist, da einen anderen Sound reinzubringen."
Nach den Morddrohungen gegen Özdemir und Roth habe er aber auch "dankbar registriert", dass alle demokratischen Parteien bis hin zur CSU sich solidarisch gezeigten hätten, sagte der Grünen-Vorsitzende. Einen Grund, sich angesichts der Bedrohungsszenarien aus der Politik zurückzuziehen, sehe er nicht. "Wenn Menschen aus Angst um sich und ihre Familien aufhören müssen, Politik zu machen, dann hat in Deutschland der Faschismus gewonnen. So weit darf es nicht kommen", hob Habeck hervor.
bk/muk
© Agence France-Presse