Die eigentlichen Gründe dafür, werden oft in einer Schutzfunktion des Gehirns als Verdrängungsmechanismus der eigenen Endlichkeit gefunden. Aber wenn das so ist, wären Selbstmörder doch die mutigsten Menschen von allen, obwohl es wohl kaum jemanden gibt, der mehr Zweifel an sich hegt. Ein Suizidal- Gefährdeter hat keine Angst vorm Sterben, sondern vor dem Leben.
Ist Angst folglich doch nur ein „Hirnfick“, also der Betrug des eigenen Ichs mit der Ausrede „Ich will nicht sterben“? Oder ist Angst nicht vielmehr das Zögern vor der Verantwortung, die man für sein eigenes Handeln übernehmen muss?
Betrachtet man das Leben nüchtern, fällt auf, dass man gar nicht darum herum kommt, Entscheidungen zu treffen, selbst wenn man sich einer jeden zu verweigern versucht, ist die Entscheidung für die Nichtentscheidung, für das Passiv-sein, alles andere als ein „ sich davor drücken“.
Es ist also egal ob wir uns entscheiden oder nicht und ob das, was wir machen, vorher langatmig mit Angst aufgeladen wurde. Egal wie groß die Angst war oder ist, sie hindert die Zeit nicht daran, weiter zu gehen und wenn wir dem Schicksal über Entscheidungen, die wir treffen, nicht in die eine oder andere Richtung verhelfen, wird die Kohärenz der Handlungen aller irgendwann auch den feigsten Hund in der hinterletzten Ecke treffen und ihn die Folgen seines Handelns als Nicht-Handeln, spüren lassen.
Philosophen wie Sartre sprechen von einer Bürde der Freiheit. Wir haben nicht das Recht der Freiheit, sondern die Pflicht, uns immer wieder zu entscheiden. Und weil wir aus diesem Prozess nicht entfliehen können, ist alles was wir machen „gut“. Denn wir haben es gemacht, weil wir es konnten, haben darüber das Menschsein definiert und unser Schicksal, dessen Plan wir selbst entworfen haben, entscheidend beeinflusst.
Diese Entscheidungen sind oft schmerzlich, selbst wenn wir fest davon überzeugt sind, dass sie richtig sind. Es gibt also Momente, in denen wir keine Angst vor Schmerzen und Entbehrungen haben. Momente, in denen nicht das eigene Schicksal sondern ein anderes Ideal wichtiger ist, beispielsweise bei den eigenen Kindern. Welche Eltern würden nicht das eigene Leben für sie hingeben?
Wenn wir also bereit sind, Schmerzen voller Stolz oder aus Überzeugung der guten Sache halber zu ertragen, wir um Entscheidungen eh nicht herum kommen und alles was wir machen immer gut ist, weil es möglich ist, es also gar kein ultimatives 100-prozentig Schlecht gibt, dann gibt es auch keinen Grund, Angst zu haben. Egal wovor, denn so wie es kommt, so soll es kommen, Sören Kirkegaard baut darauf seine ganze Philosophie auf. Wenn folglich alles gut ist, weil wir es gemacht haben, gibt es keinen Grund zur Angst.
Warum stecken wir nicht die Kraft, die wir so oft und zu intensiv an Banalitäten vergeuden, in hoffnungsfrohe Tatkräftigkeit? Beherzt anpacken, was wir geändert haben möchten. Immer positiv, zumindest von einer Vorfreude beseelt, dass die zuletzt getroffene Entscheidung das Ruder rumdrehen wird. Wir haben sie doch getroffen, weil wir glauben, dass sie richtig ist, also warum freuen wir uns dann nicht aufs Besser werden, statt daran zu hadern, dass es möglicherweise die falsche Entscheidung war. Im Prinzip kann man sich doch eh nicht wieder anders entscheiden. Und das ist doch auch gut so. Stellen Sie sich vor, alles was Sie machten, wäre negierbar, umkehrbar, als wenn nichts passiert wäre. Wo bliebe dann der Wandel, der Fortschritt, das Neue, das, auf das man sich doch immer so freut?
Diese Welt ist derzeit wirklich kein Utopia, das stimmt, aber mit Angst, machen wir sie nur noch unerträglicher; für uns persönlich und als Klima für die ganze Welt.
Denn Angst vergiftet, während Hoffnung immer beflügelt.
Haben sie also keine Angst, egal, was Ihnen grad den Schlaf raubt. Nicht vor Dingen, die sich nicht ändern können und schon gar nicht vor den Konsequenzen Ihrer Entscheidungen. Sie haben sie getroffen und mit Sicherheit hatten sie dafür gute Gründe.
Schönen Sonntag,
Bild und Text: adolf.muenstermann@gmail.com