Münster - Zum zweiten Mal zeichnet die Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU) Forschungsprojekte im Bereich Bürgerwissenschaft – auch Citizen Science genannt – aus. Dabei handelt es sich um Projekte, bei denen Hobby-Forscherinnen und -Forscher in die Vorhaben eingebunden werden.
Aus 16 Projekten, die beim „WWU-Citizen-Science-Wettbewerb“ eingegangen sind, hat die Jury, bestehend aus Mitgliedern der Universität Münster, der Stadt Münster, des LWL-Museums für Naturkunde und des Stadtarchivs Dülmen, jetzt zwei Sieger gekürt: „Monitoring moderner Agroforst-Ökosysteme“ und „Kinderkuren in Westfalen“.
Beide Projekte zeichnen sich der Jury zufolge durch eine starke Bürger-Einbindung, hohe gesellschaftliche Relevanz und ein innovatives Forschungsdesign aus - beide Projekte werden mit jeweils 7.500 Euro unterstützt. Zusätzlich wurde ein mit 1.000 Euro dotierter Publikumspreis für das Projekt „Peer-to-Peer-Videos im bilingualen Unterricht“ vergeben. Die Stiftung WWU Münster fördert die drei Projekte.
Informationen zu den Gewinner-Projekten:
Das Projekt „Monitoring moderner Agroforst-Ökosysteme“ aus dem Institut für Landschaftsökologie der WWU hat zum Ziel, ein Kooperationsnetzwerk zwischen Wissenschaft und lokalen Interessensgemeinschaften in mehreren Landkreisen in Deutschland aufzubauen, in denen Landwirte Teile ihrer Flächen zu sogenannten Agroforstsystemen umgewandelt haben.
Dabei handelt es sich um einen Anbau von Gehölzen, der Synergien zwischen der ackerbaulichen Nutzung und der integrierten Gehölzbepflanzung herstellt und gleichzeitig Naturschutz-Belange berücksichtigt. Die Studierenden Julia Binder und Thomas Middelanis sind verantwortlich für das Projekt.
Auf einer Forschungsreise im Sommer 2021 möchten sie einen Methodenkatalog zum ökologischen Monitoring vorstellen und diesen gemeinsam mit interessierten Akteuren weiterentwickeln, etwa mit Landwirten, Schulklassen oder Naturschutzverbänden. Das Kooperationsnetzwerk ist ein langfristig angelegtes Vorhaben, das anhand partizipativ erarbeiteter Kriterien Veränderungen in den Agroforstsystemen beobachtet und zusammenträgt.
Ob auf Norderney, in Bad Tölz oder im westfälischen Bad Sassendorf: Wer zwischen 1940 und 1980 Kind war, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit wenigstens einmal eine mehrwöchige Kinderkur absolviert. Finanziert durch öffentliche Träger, Unternehmen und karitative Verbände wurden allein in Bad Sassendorf jedes Jahr mehrere tausend Kinder untergebracht.
Die Kinder sollten an Gewicht zunehmen und „aufgepäppelt“ werden. Für viele Kurkinder war der Aufenthalt mit Heimweh und Gewalterfahrungen verbunden, die bis heute nachwirken können. Im Projekt „Kinderkuren in Westfalen“ geht die Abteilung für westfälische Landesgeschichte am Historischen Seminar der WWU mit dem Museum „Westfälische Salzwelten“ der Frage nach, welche sozialen und kulturellen Praktiken den Alltag prägten und das institutionelle Leben in den Kinderkureinrichtungen in Bad Sassendorf bestimmten.
Studierende und Museums-Mitarbeiter führten dazu bereits Interviews mit Betroffenen und erschlossen unterschiedliche Archivquellen. In Kooperation mit Bürgern und Betroffenen wollen sie einen digitalen Ortsrundgang erarbeiten. Mithilfe einer App soll der Kuralltag für Besucher durch die Methode des „Storytellings“ multiperspektivisch erlebbar gemacht werden, um auf den Spuren der Kurkinder Bad Sassendorf zu entdecken.
Das Projekt „Peer-to-Peer-Videos im bilingualen Unterricht“ basiert auf einer Kooperation zwischen dem Englischen Seminar der WWU und dem Arbeitskreis Bilingual des St.-Antonius Gymnasiums in Lüdinghausen. Bei den Peer-to-Peer-Videos handelt es sich um Filme, die in den zweisprachig unterrichteten Fächern Biologie und Geschichte der Mittelstufe von und für Schülerinnen und Schüler entwickelt wurden.
Die Forschungsfrage des Projekts lautet: Inwieweit bieten diese Videos vielfältige fremdsprachliche, inhaltliche sowie digitale Lerngelegenheiten? Die Schüler recherchieren und strukturieren die Inhalte, um sie in Form eines Videos aufzubereiten.
Die Videos werden mit den schuleigenen iPads angefertigt und auf der schulinternen Lernplattform gespeichert. Von dort können die Schüler sie im Rahmen unterschiedlicher Lerngelegenheiten nutzen. Ziel ist es, das Potenzial sowie die Erfolgsbedingungen von Peer-to-Peer-Videos für den bilingualen Sachfachunterricht herauszuarbeiten.
Citizen Science an der WWU
Forschung und Lehre sind für die WWU kein Selbstzweck. Die Universität Münster versteht sich als Motor des gesellschaftlichen Fortschritts. Das bedeutet, auch jene in die Wissenschaft einzubeziehen, für die sie gemacht ist: die Bürgerinnen und Bürger.
Mit dem Citizen-Science-Wettbewerb möchte die WWU den Stellenwert der Bürgerwissenschaft innerhalb der Universität stärken und Wissenschaftler dazu ermutigen, möglichst viele Menschen aktiv in die verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses einzubinden.
Sie können sich zum Beispiel an der Forschung beteiligen, indem sie Fragestellungen generieren, ein Forschungsprojekt entwickeln, Daten erheben und wissenschaftlich auswerten sowie Forschungsergebnisse kommunizieren. Gemeinsames Ziel aller Citizen-Science-Projekte ist es, neues Wissen zu schaffen. Hierbei wird an Forschungsfragen gearbeitet, deren Beantwortung einen Erkenntnisgewinn für die Wissenschaft und die Gesellschaft mit sich bringt.
Quelle: WWU Münster
Foto: Julia Binder