Münster - (pbm/sk) - Unter Leitung der beiden Historiker Prof. Dr. Thomas Großbölting (Universität Hamburg, früher Universität Münster) und Prof. Dr. Klaus Große Kracht (Universität Münster), arbeiten Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) seit September 2019 den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche im Bistum Münster auf. Dabei geht es vor allem darum, Missbrauchsfälle aufzudecken und zu beschreiben sowie Strukturen zu rekonstruieren, die die Taten begünstigten oder ihre Aufdeckung verhinderten. Am 2. Dezember haben die Wissenschaftler bei einem Pressegespräch in Münster Zwischenergebnisse und Thesen vorgestellt.
Dazu erklärt der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster, Peter Frings: „Wir sind dem Forscherteam dankbar, dass es heute einen Zwischenbericht über die bisherige Arbeit im Rahmen einer Pressekonferenz abgegeben hat. Deutlich geworden ist, dass seitens des Bistums Münster den Forschern völlig freie Hand bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit gelassen wird. Das ist dem Bistum wichtig; denn nur so besteht die Aussicht darauf, dass die später vorgelegten Ergebnisse der Forscher eine fundierte Grundlage für die dann erforderliche Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen sein können. Daher arbeiten die Forscher absolut unabhängig von uns, haben uneingeschränkten Zugang zu allen Akten und entscheiden auch völlig frei, was sie wann in welcher Form veröffentlichen. So wurden auch die Verantwortlichen im Bistum nicht vorab über die heute vorgestellten Zwischenergebnisse informiert. Diese Vorgehensweise sind wir insbesondere den Betroffenen sexuellen Missbrauchs schuldig.
Die Studie, das zeigen die Aussagen der Historiker, zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich eben nicht auf die rechtliche Beurteilung des sexuellen Missbrauchs beschränkt, sondern auch zeit- und kulturhistorische Kontexte mit in den Blick nehmen möchte. Die dazu heute vorgestellten Erkenntnisse sind leider – nach dem, was wir auch aus anderen Untersuchungen schon wissen – nicht überraschend, aber doch erschreckend. So haben die Forscher deutlich gemacht, dass es auch im Bistum Münster zahlreiche Fälle gibt, in denen die Bistumsleitungen der Vergangenheit von Missbrauchsfällen wussten, aber die Täter weder anzeigten noch aus der Seelsorge entfernten. Für die Verantwortlichen war die Fortführung der priesterlichen Existenz und das Bild der Kirche nach außen offenbar die oberste Leitschnur ihres Handelns. Das bleibt für uns heute unverständlich und lässt uns fassungslos zurück. Eine der Fragen, die zu beantworten sein wird, ist: wie konnte es dazu kommen, dass man die vom Missbrauch Betroffenen so ganz aus dem Blick gelassen hat?
Wenn Anfang 2022 der gesamte Bericht vorliegt, werden viele Fragen sicherlich gestellt, aber auch beantwortet werden müssen. Dabei hoffen wir sehr, dass uns Betroffene und kritische Christinnen und Christen begleiten; denn nur zusammen kann man dieses bedrückende Kapitel der Bistumsgeschichte bewerten.“