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Johnson reist zu Post-Brexit-Gesprächen nach Brüssel

Angesichts der festgefahrenen Verhandlungen über ein Handelsabkommen nach dem Brexit will der britische Premierminister Boris Johnson nun persönlich nach Brüssel reisen.

Dort wird er nach Angaben eines Regierungssprechers "in den nächsten Tagen" EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen treffen. Beide hatten zuvor erklärt, die Bedingungen für ein Abkommen seien weiter nicht gegeben. London warnte eindringlich vor einem Scheitern der Verhandlungen.

Johnson und von der Leyen telefonierten am Montagabend erneut, um über die Zukunft der Gespräche zu beraten. Auch dabei gab es keinen Durchbruch. Laut einer anschließenden gemeinsamen Erklärung baten sie deshalb ihre Chefunterhändler, "einen Überblick über die verbleibenden Differenzen zu erstellen, die in den kommenden Tagen persönlich besprochen werden sollen."

"Die Verhandlungen sind genau am gleichen Punkt wie am Freitag", hieß es aus Regierungskreisen in London. "Wir haben keine greifbaren Fortschritte gemacht." Zwar betrachte London die Verhandlungen nicht für beendet, aber es bestehe "jede Chance" für ein Scheitern der Gespräche, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter. Zuvor hatte ein Sprecher Johnsons eine Verlängerung der Gespräche ins kommende Jahr ausgeschlossen.

Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende bleibt es aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Diese Übergangsphase wollten beide Seiten eigentlich nutzen, um ein Handelsabkommen auszuhandeln. Die Gespräche kommen aber seit Monaten kaum voran. Inzwischen ist die Zeit für eine rechtzeitige Ratifizierung eines möglichen Abkommens bis zum 1. Januar schon äußerst knapp.

Differenzen gibt es noch immer in drei zentralen Bereichen. Dabei geht es um faire Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern. Einigen Ländern wie Frankreich ist das Thema Fischerei besonders wichtig. Paris hat deshalb sogar mit einem Veto gegen ein mögliches Abkommen gedroht.

Wann Johnson nach Brüssel reist, blieb vorerst offen. Es werde voraussichtlich nicht am Dienstag sein, hieß es aus EU-Kreisen. Gehandelt wurde der Mittwoch, weil am Donnerstag der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs beginnt, bei dem die Post-Brexit-Entscheidung diskutiert werden soll. Direkte Verhandlungen der 27 Mitgliedsregierungen mit der britischen Seite hatte die EU immer ausgeschlossen.

Die französische EU-Abgeordnete Nathalie Loiseau sagte nach der Information des Europaparlaments durch Barnier, der europäische Verhandlungsführer glaube, dass spätestens am Mittwoch eine Entscheidung getroffen werden müsse. Die Liberale betonte, schon jetzt könne das EU-Parlament die Ratifizierung des voraussichtlich über 700 Seiten starken Abkommens bestenfalls noch "in den allerletzten Dezembertagen" abschließen.

Kompromissbereit zeigte sich die britische Regierung derweil mit Blick auf ihr von der EU scharf kritisiertes Binnenmarktgesetz. Sie sei unter bestimmten Bedingungen bereit, Klauseln aus dem Gesetz zu streichen, die Teile des EU-Austrittsvertrags außer Kraft setzen könnten, teilte die Regierung mit. Die Ankündigung Londons, das Gesetz zu überarbeiten, könnte den Unterhändlern in Brüssel nun wichtige zusätzliche Zeit geben.

Ohne Einigung im Post-Brexit-Streit würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle erhoben. Wirtschaftsverbände rechnen dann nicht nur mit massiven Staus an den Grenzen im Lieferverkehr, sondern auch mit Milliarden an Mehrkosten und Einnahmeausfällen. 

jes

Martin TRAUTH / © Agence France-Presse