Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie haben das Sozialleben vieler junger Menschen verstärkt ins Internet verlagert. Laut einer aktuellen Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing und der Techniker Krankenkasse ist der Anteil der im Internet gemobbten Kinder und Jugendlichen zwischen 2017 und 2020 um 36 Prozent gestiegen - von 12,7 Prozent in 2017 auf 17,3 Prozent in 2020.
Welche Folgen sogenanntes "Cybermobbing" für Betroffene haben kann und wie Eltern erkennen können, ob ihr Kind zum Opfer geworden ist, erklärt Dr. Moritz Noack. Der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie leitet das neue Therapieangebot "Cooldown" für medienbezogene Störungen am Universitätsklinikum Hamm des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).
Warum steigt Cybermobbing während der Corona-Pandemie gerade unter Kinder und Jugendlichen?
Belästigung, Verleugnung, Nötigung oder Bedrängung im Internet, in Social-Media-Kanälen oder Chat-Rooms sind keine neuen Phänomene. Wenn Sozialkontakte in der Pandemie jedoch fast ausschließlich digital hergestellt werden, entstehen häufiger Situationen, in denen Menschen die Anonymität, die ständige Verfügbarkeit und die Öffentlichkeit des Internets nutzen, um andere auszugrenzen. Eltern können häufig nicht ausreichend kontrollieren, was ihre Kinder in sozialen Medien machen. Junge Menschen neigen dann eher zu impulsiven Handlungen, ohne mögliche Konsequenzen zu berücksichtigen.
Welche Folgen hat Cybermobbing für Kinder?
Ausgrenzung, Demütigung oder Nötigung werden als extrem stressig und schmerzhaft empfunden. Besonders das Gefühl, alleine vielen anderen in der Gruppe gegenüber zu stehen, verstärkt die Belastung. Kinder und Jugendliche durchlaufen in ihrer Entwicklung Phasen häufiger Veränderungen und Unsicherheiten, in denen sie Bestätigung von außen benötigen.
Durch Cybermobbing können in diesen sensiblen Phasen Konflikte entstehen, auf die Kinder und Jugendliche mit Rückzug, Niedergeschlagenheit sowie depressivem und ängstlichem Verhalten reagieren. Auch körperliche Symptome wie Kopf- oder Magenschmerzen und Konzentrationsprobleme können auftreten. Auf Dauer können psychische Störungen wie Depressionen und Angstsymptome entstehen.
Wie können Eltern erkennen, ob ihre Kinder von Cybermobbing betroffen sind und ihnen im Ernstfall helfen?
Cybermobbing zu erkennen ist nicht immer einfach, weil viele Eltern nicht wissen, womit sich ihre Kinder online beschäftigen. Mögliche Anzeichen sind plötzliche psychische Veränderungen, Verschlossenheit oder Wutanfälle. Eltern sollten ihre Kinder darauf ansprechen, ihnen Unterstützung anbieten und gemeinsam nach Ursachen suchen.
Von Bedeutung ist, frühzeitig gemeinsam mit den Kindern über die Möglichkeiten und Risiken des Internets zu sprechen. Auch Regeln zur Internetnutzung innerhalb der Familie, wie feste Zeiten oder Altersbegrenzungen können helfen. Während der Pandemie sollten Eltern ihren Kindern auch alternative Freizeitbeschäftigung anbieten und gemeinsam Zeit verbringen.
Der Umgang mit Online-Medien bei Kindern und Jugendlichen gehört längst zu den Erziehungsaufgaben der Erwachsenen. Dabei sind die Eltern, die Schulen aber auch die Gesellschaft gefragt, auf ein wertschätzendes Miteinander zu achten und Cybermobbing mit aktiven Maßnahmen zu begegnen. Auch Kinder- und Jugendliche sollten lernen, wie sie auf unfaire Kommentare oder Ausgrenzung im Netz reagieren können und wo sie entsprechende Hilfe erhalten.
Hintergrund:
Das "Cooldown"-Therapieangebot für medienbezogene Störungen der LWL-Uniklinik Hamm richtet sich an Kinder und Jugendliche, die digitale Medien übermäßig nutzen und darüber andere Interessen und Aktivitäten wie etwa den Schulbesuch oder den Kontakt zur Familie und zu Freunden vernachlässigen. In der Therapie erhalten die Patienten Motivation im Alltag und erlernen sowohl für sich als auch zusammen mit ihren Familien Sicherheit im kompetenten Umgang mit den Medien.
Quelle: LWL
Foto: LWL. Dr. Moritz Noack leitet das Therapieangebot "Cooldown" für medienbezogene Störungen am LWL-Universitätsklinikum Hamm.