Vor vielen, vielen Jahren, als ein Großteil der heutigen Jugend noch als Quark im Kühlschrank stand, musste man sich ständig von den Großeltern anhören, dass man sich zu benehmen habe. „Fluch“ nicht so viel“ und „benimm dich mal ordentlich“ waren damals die Ratschläge, die man sich zwischen 12 und 20 anhören musste.
Heute höre ich das von meiner Tochter und wenn ich ehrlich bin: sie hat Recht! Ich schimpfe wie ein Rohrspatz und rege mich über jeden Blödsinn auf. Vormals war ich damit zwar nicht allein, aber durchaus ein eher selteneres Phänomen. 2020 bin ich mit diesem Habitus in guter Gesellschaft, und wenn ich mich so umschaue, fürchte ich, dass es in naher Zukunft noch viel schlimmer wird.
Im Bus muss ein Pennäler gar nicht erst die Idee entwickeln, dass die ältere Dame den Sitzplatz besser gebrauchen könnte. Kaum ist Tante Liesbeth eingestiegen oder besser gefahren, schon pöbelt sie mit krächzender Stimme „ Mach mal Platz!“ dass sie nicht „Du Penner" anfügt, ist wirklich alles.
Ständig seh` ich Silversurfer, die wild auf die Straße rotzen, mit erhöhter Geschwindigkeit im elektrischen Rolli über den Fußweg ballern und Kleinkinder in Gefahr bringen. Oma und Opa scheinen sich an der Gesellschaft rächen zu wollen. Ich habe gearbeitet, also darf ich das. Ich hab Deutschland aufgebaut, also darf ich auch- zumindest moralisch- wieder in den Abgrund stürzen.
Da wird ohne Rücksicht auf Verluste 28 Euro 43 in Klimpergeld mit Parkinsonzittern aus der Handtasche gepult und wenn dann wirklich einmal jemand sagt: „Auf die Idee, dass Sie zahlen müssen, hätte man auch früher kommen können“, erschallt nicht selten ein „Halt die Fresse!“ (Gestern noch erlebt).
Was ist nur aus der netten Oma geworden, die einem sanft über das Köpfchen streichelte und heimlich den Rosenkranz betete? Hat auch Gertrud endlich begriffen, dass Gott tot ist und denkt „Nach mir die Sintflut?“ oder was passiert da im Oberstübchen von Grandma und Grandpa, formally known as „die nette Omi?“
Rache. Rache dafür, dass sie nicht mehr so mobil sind, für eine Rente, die niedrig ist, weil sie unentwegt und unreflektiert CDU gewählt haben. Kurz aus Bedauern über die eigene Endlichkeit wurde Wut auf den Rest der Welt.
Heute bekommt Oma Komplexe, wenn ein Enkelkind geboren wird, weil sie nicht mehr im Mittelpunkt steht, wo früher ein breites zahnloses Grinsen die Kuchenkrümel von Gestern in die Luft posaunte. Heute sind nicht mehr die Jugendlichen Asis mit zerrissenen Jeans sondern die Rentner mit vollgesifften Klamotten, die gefühlt seit hundert Jahren nicht mehr gewaschen wurden.
Ich hab die Schnauze voll von den modernen Alten und die Jugend auch. Wo ich früher Taschengeld bekam und ein „sags aber nicht Papa", bekommt man heute ein „und was ist mit mir?“ begleitet von diabolischem Hass auf alles und jeden.
Was ich mir für die Jugend zu Weihnachten wünsche? Dass meine Genration in naher Zukunft wieder zu Opas im Nikolauskostüm oder Ohrensessel und Omas wieder beim Kartoffelschälen oder mit Likörchen Karius und Baktus der nächsten Generation nähren und nicht einen Rentner, den man am liebsten gleich unter die Erde wünscht.
Text: adolf.muenstermann@gmail.comBild: Pixabay