Im fünften Jahr des Verfahrens der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zur Einsicht in Akten des Dieselskandals hat die beigeladene Volkswagen AG nun eine Klage gegen das KBA eingereicht.
So will das Unternehmen die rechtskräftig bestätigte
Akteneinsicht der DUH verhindern. Laut VW sollen in den Akten auch
Unterlagen über den Motor EA 288 enthalten sein, die vom rechtskräftigen
Urteil nicht erfasst seien. Nun spielen Autohersteller und Behörde
erneut über Bande: Bereits wenige Stunden nach Eingang von Klage und
Eilantrag der VW AG erklärte das KBA, dass es die Akten nicht
herausgeben werde, da der Antrag des Herstellers begründet sein könnte.
Zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig rechtskräftig die Behörde von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer dazu verurteilt, der DUH diese Akte ungeschwärzt zur Verfügung zu stellen. Da sich das Amt weigerte, diese Gerichtsentscheidung umzusetzen, stellte die DUH einen Antrag auf Zwangsvollstreckung. Wenige Tage vor Ablauf einer letzten vom Gericht gesetzten Frist reagierte nun Volkswagen seinerseits mit einer Klage.
„Dass Umweltgesetze und rechtskräftige Urteile VW nicht beeindrucken, überrascht nicht. Dass sich aber die ehemals stolze Bundesbehörde Kraftfahrt-Bundesamt zum Bettvorleger des Wolfsburger Skandalkonzerns macht und Millionen betrogene Dieselbesitzer schädigt, macht mich fassungslos. Verkehrsminister Andreas Scheuer zeigt sich einmal mehr als Handlanger von Betrugskonzernen, die aus Profitgier Millionen Kunden, die Saubere Luft in unseren Städten und die Umwelt schädigen“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Zuletzt im November hatte das KBA versucht, die Akteneinsicht durch die DUH zu verhindern. Unter anderem verweigerte die Behörde die Überlassung von Kopien von Unterlagen, deren Einsicht die DUH vor Gericht rechtskräftig erstritten hatte.
Daraufhin leitete die DUH eine Zwangsvollstreckung gegen das KBA ein. Das angerufene Verwaltungsgericht teilte dem KBA daraufhin mit, dass es die Rechtmäßigkeit dieser erneuten Verweigerung vorläufig anzweifelt. Wenige Tage vor Ablauf der vom Verwaltungsgericht Schleswig dem KBA gesetzten 14-tägigen Antwortfrist versuchen nun VW und KBA mit einer neuen Klage bzw. einer damit begründeten Behördenentscheidung, die Offenlegung der Kumpanei zwischen der Scheuer-Behörde und VW zu verhindern. Die DUH ist in dem von VW angestrengten Verfahren von Amts wegen beigeladen.
Hintergrund:
Die DUH hatte bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals Ende 2015 die Einsicht und Überlassung der VW-Dieselgate-Akten eingefordert. In diesem Schriftwechsel erläutert VW die vorgenommenen Softwaremanipulationen und das Kraftfahrt-Bundesamt macht seine rechtliche Bewertung deutlich. Daraufhin übersandte das Amt im Frühjahr 2016 eine knapp 600-seitige, praktisch komplett geschwärzte Akte und verweigerte so die Einsicht. In der Folge erhob die DUH Klage auf „Entschwärzung“ und Offenlegung aller nicht personenbezogenen Angaben.
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 20. April 2018 (6 A 48/16) ist das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) dazu verurteilt worden, der DUH Einsicht zu gewähren in den gesamten Schriftverkehr aus der Zeit vom 18. September 2015 bis 15. Oktober 2015 betreffend die Rückrufanordnung von VW-Dieselfahrzeugmodellen inklusive des dazu geführten Verwaltungsvorgangs.
Das VG Schleswig entschied im April 2018 im Sinne der DUH, jedoch stellten das beklagte Kraftfahrt-Bundesamt sowie die Volkswagen AG als Beigeladene einen Antrag auf Zulassung der Berufung. Mit dem am 5. Oktober 2020 zugestellten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig wird eine Berufung abschließend abgelehnt, das Urteil von 2018 ist seitdem rechtskräftig. Es besteht nunmehr der Akteneinsichtsanspruch für die DUH.
Beim Termin der Akteneinsicht am 17. November 2020 hatte das KBA der DUH nicht nur unvollständige und dem Anschein nach willkürlich zusammengestellte Akten vorgelegt, bei denen ganz offensichtlich eine zweistellige Anzahl an Vorgängen gegenüber einer früheren Fassung des Dokuments fehlten.
Die Behörde hatte sich darüber hinaus geweigert, angeforderte Kopien in dem von der DUH für notwendig angesehenen Umfang zu fertigen. Die DUH hatte daraufhin Ende November einen Antrag auf Zwangsvollstreckung des Urteils gestellt. Als Reaktion hierauf hat nun die Volkswagen AG Klage und Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht eingereicht.
Diese Akten können für die seit fünf Jahren vor Zivilgerichten klagenden, von VW betrogenen Kunden von entscheidender Bedeutung sein. Allein mit der Baureihe EA 189, um die es bei diesen Akten geht, wurden in Deutschland 2,5 Millionen Kunden betrogen. Und das nicht nur beim Kauf der Fahrzeuge, sondern auch später durch neue aufgespielte Abschalteinrichtungen bei Software-Updates, die mit behördlichem Segen besonders in der kommenden kalten Jahreszeit für massiv erhöhten Schadstoffausstoß sorgen.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe (DUH)