Wenn einem etwas zukommt, womit man nicht selbstverständlich rechnen durfte, bedankt man sich. Wir kommentieren folglich etwas wahrnehmbar für andere und werten es gleichzeitig positiv.
Man könnte somit vermuten, dass „danke“ zu formulieren, ein selbstloser Akt ist, eine soziale „Performanz“, in der wir realisieren, dass wir nicht allein sind und auch nicht sein wollen.
Denn, wenn kein anderer da ist, gibt es keinen Grund verbal zu realisieren, dass etwas passiert ist, was der Prognose unseres Seins zu widersprechen scheint. Immer wenn das flüchtige kleine Wörtchen ausgesprochen wird, scheint das eigene Sein einem Trugschluss erlegen zu sein. Ähnlich wie bei einem „verdammt“, nur dass die Amygdala in diesem Fall davon überzeugt ist, dass dem physischen Sein, das es ausspricht, quasi ein Geschenk zukommt. Etwas, für das keine Gegenleistung, zumindest keine adäquate, vom Sprecher und Denker des „Danke“ ausging.
Darüber hinaus beinhaltet dieses Moment des „danke“-Sagens, aber auch, dass dieses unerwartete Mehr, so viel quantitativen Benefit beinhaltet, dass wir dies nicht nur realisieren, sondern uns genötigt fühlen auszudrücken, dass wir positiv überrascht sind und dass das Gegenüber weiß, dass wir das nicht nur realisieren, sondern auch zu schätzen wissen.
Es ist folglich gar nicht so altruistisch wie man denkt, sondern beinahe egoistisch. Denn die Absicht hinter „danke“ ist, dass wir uns selbst davon überzeugen wollen, der entgegengebrachten Geste würdig zu sein. Und das soll bitte kein Geheimnis bleiben.
Wer „Danke“ sagt, scheint somit einen Plan zu verfolgen, nämlich den, dass man darstellen möchte, dass das Unvorhergesehene gerne wieder passieren darf. Und um die Wahrscheinlichkeit dafür zu erhöhen, formulieren wir es so, dass kein Missverständnis darüber entsteht, dass wir genau der richtige Empfänger für die kurz zuvor passierte Nettigkeit sind.
„Hey, ich bin Derjenige, für den es sich lohnt, über Gebühr zu agieren, mach das gerne wieder, am besten für mich, denn es hilft mir nicht nur, sondern ich weiß auch, dass es nicht selbstverständlich ist“, obwohl wir genau die entgegengesetzte Absicht dahinter verfolgen. Es soll selbstverständlich werden, so selbstverständlich, dass wir es irgendwann nicht nur nicht mehr goutieren, sondern negativ kommentieren, wenn das Geschenk des anderen ausbleibt.
Und dennoch scheint sich der Empfänger des „danke“ ausschließlich darüber zu freuen, dass man dankbar ist. Das Wort „dankbar“ beinhaltet übrigens, dass man das „danke“ ertragen kann, denn "bar" kommt aus dem Altgermanistischen und bedeutet „tragen“. Gebären heißt somit „zu Ende tragen“, aber das nur am Rande.
Wenn man dankbar ist, möchte man aber nicht ausdrücken, dass man das „danke“ also die Geste des Formulierens ertragen kann, sondern das, was man empfangen hat. Dankbar ist folglich, wenn überhaupt der, dem das „danke“ gesagt wird und nicht der, der es ausspricht. Der, der es sagt, dieses „danke“, und sich dankbar zeigen möchte, möchte eigentlich ausdrücken, dass er die selbstlose Handlung des Gegenübers ertragen kann. Er oder sie kann folglich damit umgehen, dass er etwas bekommen hat, dass er nicht verdient hat und er oder sie kann damit leben, es nicht zu erwidern und macht es dennoch, indem er „danke“ sagt.
Aber bei aller Psychologie sollte man nie vergessen, dass es wohl kein sympatischeres Missverständnis gibt, als die Fehlinterpretation eines der schönsten Worte, die unser Wortschatz je hervorgebracht hat.
Schenken sie
sich also auch in Zukunft das „danke“ nicht, indem sie es nicht mehr
formulieren, sondern schenken sie es sich, indem sie möglichst nie darauf
verzichten, es zuflüstern, zu sagen, zu schreiben oder wenigstens zu denken,
denn selbst wenn es gedacht wird, scheint es das Gesicht für ein empathisches
Gegenüber auszudrücken, indem es lächelt.
Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit und einen schönen Sonntag.
Text: adolf.muenstermann@gmail.com
Bild: Pixabay