Berlin, den 13.12.2020. Bund und Länder haben sich
heute auf einen harten Lockdown ab Mittwoch geeinigt. Diese Maßnahmen
sind notwendig. Für den Kulturbereich heißt der harte Shutdown aber eine
weitere Verschärfung seiner seit Monaten extrem angespannten Situation.
Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, fordert deshalb die bestehenden Hilfen für die Kultur- und Kreativwirtschaft weiter zu führen, dringend nach zu justieren und zu erweitern.
Die Stellungnahme des Deutschen Kulturrates „Kultur- und Kreativwirtschaft jetzt stützen und Perspektiven geben" (Stellungnahme im Anschluss zu lesen) wurde im Rahmen eines vom Deutschen Kulturrat moderierten Dialogprozesses in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung erarbeitet und vom Sprecherrat des Deutschen Kulturrates, seinem politischen Gremium, am 09. Dezember diskutiert und verabschiedet. In der Stellungnahme werden branchenübergreifende Forderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft zusammengeführt. Unsere Forderung nach Erhöhung der Überbrückungshilfe III für Unternehmen wurde heute in der Pressekonferenz von Bundesfinanzminister Olaf Scholz bereits aufgegriffen. Künftig soll eine Förderung von max. 500.000 Euro pro Unternehmen im Monat möglich sein.
Der Deutsche Kulturrat fordert: Bei der November- und Dezemberhilfe auf die faktische Betroffenheit vom Lockdown abzustellen und die bestehende Regelung, dass indirekt Betroffene mindestens 80 Prozent des Umsatzes mit direkt betroffenen Unternehmen machen müssen, auf 50 Prozent des Umsatzes abzusenken. Weiter müssen die Regelungen so angepasst werden, dass verbundene Unternehmen sie ebenso nutzen können. Ferner müssen auch die im Jahr 2019 im Ausland erzielten Umsätze einberechnet werden können. Die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft ist international aufgestellt, dieser Vorteil darf nicht bei der Berechnung von Hilfen zum Nachteil gereichen. Hilfen für große Unternehmen müssen ermöglicht werden, da sie abseits der Krise sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bieten. Da der Lockdown auch im kommenden Jahr fortgeführt wird, müssen für die folgenden Monate entsprechende Hilfsprogramme aufgelegt werden.
Bei der Überbrückungshilfe III für Solo-Selbständige, der Neustarthilfe, sind als Bemessungsgrundlage für die Zahlung einer einmaligen Betriebskostenpauschale 25 Prozent des Vergleichsumsatzes im Jahr 2019 eingesetzt. Das führt dazu, dass die Pauschalsumme bei der Mehrzahl der Solo-Selbständigen viel zu gering ausfällt. Der zugrunde gelegte Prozentsatz muss mindestens auf 50 Prozent erhöht werden. Förderungen bzw. Zuwendungen bilden bei Solo-Selbständigen regelmäßig einen Teil der Einnahmen. Sie sollten daher bei der Ermittlung des Vergleichsumsatzes als Umsatz anerkannt werden. Insgesamt ist der Ansatz, Betriebskostenpauschalen zu zahlen, der richtige Weg. Er sollte konsequent zu einer angemessenen erweiterten Betriebskostenpauschale für Solo-Selbständige ausgeweitet werden.
Die Beihilferegelungen müssen angepasst werden. Insbesondere muss die Obergrenze der Kleinbeihilferegelung angehoben werden und Förderungen für große und verbundene Unternehmen müssen notifiziert werden, um eine maßgebliche Förderung zu ermöglichen.
Für das überzeichnete Bundesprogramm NEUSTART KULTUR, das sich vornehmlich an die Kultur- und Kreativwirtschaft richtet, sollten erneut 1 Mrd. Euro bereitgestellt werden, um die erfolgreiche Arbeit fortsetzen zu können.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Der Kulturbereich trägt die notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor dem Corona-Virus seit März dieses Jahres mit. Das gilt selbstverständlich auch für die heutigen Beschlüsse der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten und der Kanzlerin. Wir hätten uns schon früher eine klarere Linie gewünscht, die uns allen diese harten Maßnahmen über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel vielleicht hätten ersparen können. Nur den Kulturbereich und die Gastronomie zu schließen, war erwartbar unzureichend. Da der Kulturbereich teilweise schon seit März dieses Jahres geschlossen ist, nur wenige in der Sommerzeit unter strengen Hygienekonzepten und sehr geringer Besucherzahl wieder öffnen durften und sich viele seit November wieder im harten Lockdown befinden, ist die Not im Kulturbereich sehr groß. Betroffen sind die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft genauso, wie die öffentlichen Kultureinrichtungen und die soloselbständigen Künstlerinnen und Künstler. Wir legen deshalb heute konkrete Forderungen zur Verbesserung der Hilfsprogramme vor und erwarten, dass die Bundesregierung, namentlich der Bundesfinanzminister, der Bundeswirtschaftsminister und die Kulturstaatsministerin umgehend im Sinne der Kultur handeln."
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Kultur- und Kreativwirtschaft jetzt stützen und Perspektiven geben
Stellungnahme des Deutschen Kulturrates
Berlin, den 09.12.2020. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine Zukunftsbranche mit Vergangenheit. Sie reicht von Handwerksbetrieben, die jahrhundertealte Techniken lebendig erhalten und weitergeben, bis zu Start-ups, die künstliche Intelligenz nutzen oder neue Technologien entwickeln. Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft sind sowohl in der gewerblichen Wirtschaft als auch im Dienstleistungsbereich tätig, sie sorgen gleichermaßen für Grundversorgung und Innovation.
Zur Kultur- und Kreativwirtschaft gehören Solo-Selbständige unterschiedlicher Branchen, inhabergeführte kleine und mittelständische Unternehmen und große, teils börsennotierte Unternehmen. Diese Heterogenität zeichnet die Kultur- und Kreativwirtschaft aus. Die verschiedenen Unternehmen eint, dass sie auf den unterschiedlichen Ebenen der Wertschöpfungskette mit Kunst, Kultur, Medien, Kommunikation und Kreativität Geld verdienen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist erwerbswirtschaftlich orientiert, d.h. die Unternehmen und Selbständigen müssen sich am Markt bewähren.
Die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft sind wichtige Arbeitgeber. Laut Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft 2020 waren in der Branche im Jahr 2019 mehr als 1,2 Mio. Kernerwerbstätige und rd. 600.000 geringfügig Erwerbstätige tätig. Den größten Teil der Erwerbstätigen stellen die rd. 975.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, sie machen 53 Prozent der Gesamterwerbstätigen der Branche aus. Fast 300.000 sind geringfügig Beschäftigte. Die Selbständigen stellen rd. 30 Prozent der Gesamterwerbstätigen. Von den Selbständigen erzielen rd. 300.000 einen Jahresumsatz unter 17.500 Euro und rd. 260.000 einen Jahresumsatz über 17.500 Euro. Viele Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft sind Ausbildungsbetriebe im Dualen Ausbildungssystem und übernehmen damit Verantwortung für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses.
Die rd. 260.000 Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft erwirtschafteten im Jahr 2019 einen Umsatz von 174,1 Mrd. Euro. Ihr Beitrag zur Bruttowertschöpfung ist größer als der der Finanzdienstleister, der Energieversorgung oder der Chemischen Industrie.
Die Corona-Pandemie betrifft die gesamte Branche. Einige Unternehmen sind unmittelbar von Schließungen betroffen, anderen Unternehmen brechen Auftraggeber aus der Kultur- und Kreativwirtschaft weg und wiederum andere sind eng mit weiteren Branchen verflochten, sodass Schließungen oder Umsatzeinbrüche dort sich mittelbar auf die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft auswirken.
Es war richtig und gut, dass Bund und Länder mit Soforthilfen, Kreditprogrammen, Kurzarbeit, der Öffnung der Grundsicherung, der Änderung des Insolvenzrechts, der Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern unmittelbar im 1. Quartal 2020 reagiert haben. Auch wenn einzelne Maßnahmen unzureichend oder kritikwürdig sind, haben sie gezeigt, dass schnell und unmittelbar geholfen werden sollte. Auch die Maßnahmen des 2. Quartals 2020 wie beispielsweise die Überbrückungshilfe I und II sind von der Unmittelbarkeit der Pandemie geprägt. Dies gilt gleichermaßen für die November- und Dezemberhilfe im 4. Quartal sowie die Überbrückungshilfe III. Das Programm NEUSTART KULTUR ist von einem anderen Geist geprägt, hier stehen Qualitäts- und nicht wirtschaftliche Kriterien im Vordergrund.
Damit die zur Verfügung stehenden Mittel von den Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft besser genutzt werden können, müssen sie nachjustiert werden.
Der Deutsche Kulturrat fordert daher:
Bei der November- und Dezemberhilfe auf die faktische Betroffenheit vom Lockdown abzustellen und die bestehende Regelung, dass indirekt Betroffene mindestens 80 Prozent des Umsatzes mit direkt betroffenen Unternehmen machen müssen, auf 50 Prozent des Umsatzes abzusenken. Weiter müssen die Regelungen so angepasst werden, dass verbundene Unternehmen sie ebenso nutzen können. Ferner müssen auch die im Jahr 2019 im Ausland erzielten Umsätze einberechnet werden können. Die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft ist international aufgestellt, dieser Vorteil darf nicht bei der Berechnung von Hilfen zum Nachteil gereichen. Hilfen für große Unternehmen müssen ermöglicht werden, da sie abseits der Krise sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bieten. Sollte der Lockdown fortgeführt werden, müssen entsprechende Januar- oder Februarhilfen aufgelegt werden. Bei der Überbrückungshilfe III für Solo-Selbständige, der Neustarthilfe, sind als Bemessungsgrundlage für die Zahlung einer einmaligen Betriebskostenpauschale 25 Prozent des Vergleichsumsatzes im Jahr 2019 eingesetzt. Das führt dazu, dass die Pauschalsumme bei der Mehrzahl der Solo-Selbständigen viel zu gering ausfällt. Der zugrunde gelegte Prozentsatz muss mindestens auf 50 Prozent erhöht werden. Förderungen bzw. Zuwendungen bilden bei Solo-Selbständigen regelmäßig einen Teil der Einnahmen. Sie sollten daher bei der Ermittlung des Vergleichsumsatzes als Umsatz anerkannt werden. Insgesamt ist der Ansatz, Betriebskostenpauschalen zu zahlen, der richtige Weg. Er sollte konsequent zu einer angemessenen erweiterten Betriebskostenpauschale für Solo-Selbständige ausgeweitet werden.
Bei der Überbrückungshilfe III für Unternehmen ist eine weitere Anpassung der Betriebskostenerstattung erforderlich. Die Summe ist derzeit auf 200.000 Euro pro Monat gedeckelt, das schließt größere Unternehmen, die zunehmend ihre Reserven aufgebraucht haben, aus. Die Beihilferegelungen müssen angepasst werden. Insbesondere muss die Obergrenze der Kleinbeihilferegelung angehoben werden und Förderungen für große und verbundene Unternehmen müssen notifiziert werden, um eine maßgebliche Förderung zu ermöglichen. Für das überzeichnete Programm NEUSTART KULTUR, das sich vornehmlich an die Kultur- und Kreativwirtschaft richtet, sollten erneut 1 Mrd. Euro bereitgestellt werden, um die erfolgreiche Arbeit fortsetzen zu können.
Mit Blick auf die Infektionsdynamik reicht es nicht mehr auf Sicht zu fahren. Die Unternehmen und Selbständigen brauchen jetzt verlässliche Planungsperspektiven für das kommende Jahr. Sie müssen ihr Personal planen, sie müssen entscheiden, ob sie Ausbildungsplätze anbieten, sie müssen überlegen, ob sie Investitionen tätigen können, sie müssen vom Modus des Reagierens zum Agieren kommen. Damit das gelingt, brauchen die Unternehmen und Selbständigen:
Bundeseinheitliche Regelungen zur Öffnung. Der Flickenteppich an bundeslandspezifischen Regelungen erschwert derzeit die Planungen massiv. Gerade bundesweit agierende Unternehmen brauchen verlässliche Angaben, wann was wieder möglich sein wird. Nur so können Veranstaltungen, Filmstarts, Festivals usw. geplant werden, die eine überregionale Bedeutung haben sollen. Da die Unternehmen hierfür beträchtliche Mittel und Personal investieren müssen, brauchen sie Planungssicherheit. Bei der angekündigten Hilfe des Bundesministeriums der Finanzen für die Veranstaltungswirtschaft sollte die Expertise der Fachverbände bei der Planung dieser Hilfe genutzt werden, um sie zielgerichtet zu konzipieren. Internationale Betätigung unterstützen. Die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft ist international aufgestellt. Der internationale Kulturaustausch ist elementar für die wirtschaftliche Tätigkeit. Diesem Umstand muss in der Muster-Quarantäneverordnung für die Ein- und Ausreise aus Risikogebieten bundesweit und einheitlich Rechnung getragen werden und Kunst- und Kulturschaffende mit dem Profi-Sport gleichgestellt werden. Nur so können Produktionsabläufe aufrechterhalten werden. Zeitfenster zur Öffnung. Viele Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft planen über Monate, wenn nicht Jahre im Voraus. Um Programme zu entwickeln, Künstlerinnen und Künstler sowie Dienstleister verpflichten und Werbung starten zu können, ist ein entsprechender Vorlauf vonnöten. Die Unternehmen brauchen, um wirtschaftlich planen zu können, Zeitfenster zur Öffnung, ansonsten besteht die Gefahr, dass bei Öffnung keine attraktiven Programme starten können oder dass aufgrund zu geringen Vorlaufs zu wenig Publikum kommt. Veränderung unterstützen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Als innovationsfähige und -freudige Branche stellt sie sich auf Veränderungen ein und will sie annehmen. Dazu gehören insbesondere auch die Themenfelder Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Damit dieser Veränderungsprozess bis hin zur Neuerfindung gelingt, brauchen die Unternehmen und die Solo-Selbständigen die erwähnten Planungsperspektiven und Investitionsmittel. Ein Restrukturierungs- und Investitionsförderprogramm soll insbesondere klein- und mittelständische Unternehmen, sogenannte KMU, und große Unternehmen in den Blick nehmen, da sie sowohl Arbeitgeber für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als auch Auftraggeber für Solo-Selbständige sind. Beratungsmöglichkeiten aus der Branche für die Branche. Beratungsaktivitäten der in der Kultur und den Kreativbereichen tätigen Verbände sowie der Unternehmen für die jeweiligen Branchen sollten unterstützt werden. Sie wissen am besten um die Bedarfe und um die Chancen in den jeweiligen Segmenten. Bestehende Zertifizierungshürden, um Beratungsleistungen erbringen zu können, sollten abgebaut werden.