Münster/Lengerich (lwl) - Die Covid19-Pandemie hat viele Gewohnheiten auf den Kopf gestellt. Jetzt steht die nächste Herausforderung für die Menschen bevor:
Weihnachten unter Corona-Bedingungen. Zu dem üblichen "Weihnachtsstress"
kommen dieses Jahr die Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus sowie
die pandemiebedingten Einschränkungen im Lockdown dazu.
Der Psychosomatiker und ärztliche Psychotherapeut Dr. Christoph
Theiling, bereichsleitender Oberarzt an der LWL-Klinik Lengerich, gibt
Antworten und Tipps zum Umgang mit dem Weihnachtsstress unter
Coronabedingungen:
Wieso sind Weihnachtsfeiertage Ursache für persönlichen, aber auch familiären Stress?
Christoph Theiling: Die Weihnachtszeit könnte eigentlich eine
besinnliche, gemütliche und fröhliche Zeit sein. Aber häufig ist das
Gegenteil wahr: Weihnachtszeit bedeutet für viele persönlicher und
familiärer Stress, jeder sucht das perfekte Geschenk, den optimalen
Weihnachts-baum und Festtagsbraten.
An vielen Tagen hintereinander sind sich die Familienmitglieder sehr nah - heutzutage ist das aber außerhalb der Feiertage nicht mehr die Regel. Gerade an den Weihnachtstagen, die für viele Menschen mit Sehnsucht nach Liebe und Harmonie verbunden sind, eskalieren deswegen Konflikte am ehesten.
Das liegt oft an den romantischen Erwartungen, die jeder von einem
gelungenen Weihnachtsfest in der Familie hat, die mit der Realität des
Alltags aber nicht immer zu vereinbaren sind. Zu vergleichen ist das mit
den Erwartungen von einem perfekten Geburtstag. Werden diese hohen
Erwartungen enttäuscht, reagieren Familienmitglieder dann mit Wut und
Verzweiflung.
Weihnachten in der Corona-Pandemie: Wie verstärkt das noch den psychischen Druck in den Familien?
Christoph Theiling: Familiäre Traditionen und Rituale der
Weihnachtszeit dienen dazu, gemeinsame Identität und Zugehörigkeit zu
stiften. Geraten diese Strukturen ins Wanken, kann bei all der
gesellschaftlichen Unsicherheit in der Pandemie eine zusätzliche
Belastung für die Familien entstehen.
Es ist verständlich, dass
Veränderungen in der Weihnachtszeit durch die Pandemie Familien
verunsichern und einzelne Familienmitglieder traurig oder wütend machen
können. Hinzu kommen durch die Pandemie und den damit verbundenen
Lockdown entstandene, massive finanzielle Existenzsorgen in vielen
Familien. Zudem ist in der "dunklen Jahreszeit" das Risiko einer
saisonalen Depression ohnehin schon erhöht.
Wie kann es dennoch ein relativ entspanntes und friedliches Weihnachtsfest werden?
Christoph Theiling: Das Fest wird für viele anders sein als
sonst - kleiner, vielleicht ruhiger und mit kreativen Lösungen. Sprechen
Sie rechtzeitig mit der Familie und Freunden darüber, mit wem und wie
Sie Weihnachten verbringen werden. Machen Sie einen konkreten Plan.
Sprechen Sie andere Menschen an, erlauben Sie sich, um Unterstützung zu
bitten.
Ich empfehle, das Konzept der Radikalen Akzeptanz anzuwenden - übrigens
auch ein erfolgreicher Ansatz in der Psychotherapie. Es beschreibt die
aktive Entscheidung von Menschen in psychischer Not, Dinge, die man
nicht beeinflussen kann, zu akzeptieren. Dies bedeutet nicht, etwas
gutzuheißen oder einverstanden zu sein, sondern lediglich, die Realität
so zu sehen, wie sie ist - bedingungslos.
Was raten Sie, wenn es trotzdem in den Familien kracht?
Christoph Theiling: Häufig eskalieren Konflikte auch in
Familien, wenn Alkohol im Spiel ist. Das bedeutet, dass man an diesen
Feiertagen maßvoll oder überhaupt nicht Alkohol konsumieren sollte.
Darüber hinaus sollte es Weihnachten auch Rückzugsmöglichkeiten
innerhalb der Familie geben. Wenn es zu eng wird in der Wohnung, einfach
mal raus und spazieren gehen. Mit Humor und gegenseitiger Wertschätzung
lassen sich die meisten Konflikte in der Familie entschärfen.
Quelle: LWL
Foto: LWL/Hochschulz. Dr. Christoph Theiling von der LWL-Klinik Lengerich.