Herr Präsident,
ich würde gerne einige Worte sagen. Die deutsche Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union nähert sich ja jetzt dem Ende; dazu würde ich gerne einige Bemerkungen machen.
Es war ein Jahr – das hat auch die deutsche Ratspräsidentschaft geprägt –, in dem die Europäische Union vor der größten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderung – man kann das, glaube ich, so sagen – seit ihrer Gründung steht. Deshalb haben die Entscheidungen und die Fragen, die wir in unserer Präsidentschaft behandelt haben, natürlich weitreichende Bedeutung, auch wenn wir unser Programm in vielen Punkten natürlich nicht so umsetzen konnten, wie wir uns das vorher vorgestellt haben.
Ich glaube, wir können sagen, dass der letzte Europäische Rat am letzten Donnerstag und Freitag – ich habe Ihnen ja noch am Donnerstag gesagt, dass ich an einigen Stellen nicht weiß, wie es ausgeht – noch mal wichtige Entscheidungen mit sich gebracht hat. Wir haben uns auf den Finanzrahmen für die nächsten sieben Jahre geeinigt und auf die Einrichtung eines Aufbaufonds für die Bekämpfung der Folgen der Pandemie sowie auf einen Konditionalitätsmechanismus zum Schutz des Haushalts; bei Letzterem geht es um Fragen der Rechtsstaatlichkeit. Zur jetzigen Stunde, seit 12:45 Uhr, stimmt das Europäische Parlament über genau diese Dinge ab. Wir haben heute Morgen im Kabinett auch dem Eigenmittelbeschluss zugestimmt, der nun dem Deutschen Bundestag zur Ratifizierung zugeleitet wird. Ich freue mich auf die Debatten darüber.
Der Weg dorthin war steinig. Wir mussten sehr viele Gespräche führen, zum Schluss auch noch einmal mit Ungarn und Polen. Aber die Europäische Union hat bewiesen, dass sie handlungsfähig ist, auch interinstitutionell handlungsfähig ist. Die Gespräche zwischen dem Europäischen Rat, der Kommission und dem Parlament waren immer sehr konstruktiv. Ich möchte allen Beteiligten danken.
Wir haben heute im Kabinett im Übrigen auch unseren Entwurf für den deutschen Anteil am Aufbau- und Resilienzplan verabschiedet. Wir haben dabei darauf geachtet, dass wir die Vorgaben einhalten, die von uns im Zusammenhang mit diesem Zukunfts- und Aufbaufonds eingefordert werden. Wir haben dort nicht nur nationale Projekte vorgesehen, sondern wir haben auch darauf hingewiesen, dass wir in unserem nationalen Haushalt Mittel bereitgestellt haben, um deutsch-französische Projekte zu realisieren, und dass wir auch offen sind für Projekte anderer Mitgliedstaaten, die in die Zukunft weisen; denn die gesamteuropäischen Gelder, die bei der Aufteilung dieses Aufbau- und Resilienzfonds übrig blieben, fielen kleiner aus, als wir uns das gewünscht hätten, weil vieles in die nationalen Komponenten fließt. So suchen wir dann wieder einen Weg, um auch weitere Gemeinschaftsprojekte realisieren zu können.
Wir haben uns des Weiteren auf dem Europäischen Rat auf ein Gesamtziel für die Treibhausgasreduktion bis 2030 geeinigt. Diese liegt bei mindestens 55 Prozent. Bisher lag diese Zielmarke bei 40 Prozent. Diese Einigung war sehr wichtig, weil am Tag darauf eine Sonder-VN-Konferenz stattgefunden hat, auf der die Europäische Union dieses Ziel nennen konnte.
Wir haben sehr lange über die Beziehungen zur Türkei gesprochen. Neben den gewünschten positiven Dingen, bei denen wir mit der Türkei zusammenarbeiten wollen, zum Beispiel bei Fragen der regulären Migration oder bei der Unterstützung der Türkei in diesen Bereichen, mussten wir leider auch feststellen, dass es eine Reihe von provokativen Akten der Türkei im südlichen Mittelmeer gibt, von denen insbesondere Griechenland und Zypern betroffen sind. Deshalb haben wir zusätzliche Listungen beschlossen.
Wir haben uns auch über unsere strategische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika unterhalten. Wir werden den Vereinigten Staaten nach dem Wechsel der Administration ein Angebot vorlegen.
Einiges von dem, was wir uns vorgenommen hatten, konnten wir naturgemäß nicht realisieren, so auch nicht das EU-China-Treffen. Wir haben dennoch am Investitionsabkommen weitergearbeitet und tun dies auch in diesen Tagen noch.
Ein letztes Wort zu dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Die Kommission verhandelt mit unser aller Einverständnis auch in diesen Stunden, in diesen Tagen noch einmal bis zum Ende dieser Woche, um zu gucken, ob es hier noch eine Lösung geben kann. Es gab Fortschritte, aber noch keinen Durchbruch. Ich glaube, wir bleiben bei unserer Meinung: Ein Abkommen wäre besser als kein Abkommen. Aber auch auf letzteren Fall sind wir vorbereitet.
Wir übergeben den Staffelstab zum Ende des Jahres an unsere portugiesischen Freunde und wünschen ihnen natürlich von Herzen eine gute Ratspräsidentschaft. Wir arbeiten ja mit Portugal und Slowenien in einer Trio-Präsidentschaft zusammen und werden deshalb auch weiterhin mit Verantwortung übernehmen.
Das waren meine einführenden Worte, Herr Präsident.
Foto: Bundesregierung/Steins