Münster - Das „Women in Research“-Stipendium (WiRe) rief die WWU 2018 ins Leben, um mehr Frauen für eine Wissenschaftskarriere zu begeistern. Das Programm unterstützt exzellente internationale Wissenschaftlerinnen ab dem PostDoc-Level in der „Rushhour des Lebens“ – die Balance zwischen akademischer Karriere und Familie.
Ein wichtiger Baustein des WiRe-Programms ist die Unterstützung der Stipendiatinnen bei einer professionellen Wissenschaftskommunikation. Bislang bekamen 15 Wissenschaftlerinnen eine Förderung und forschten für mehrere Monate an der WWU.
Dieses Jahr erhielten die Stipendiatinnen coronabedingt ein sogenanntes „Research@Home“-Stipendium, bei dem sie virtuell mit Kollegen an der Universität Münster in Kontakt treten. Die Altertumswissenschaftlerin Dr. Aleksandra Kubiak-Schneider aus Polen und die Chemikerin Dr. Leyre Marzo aus Spanien geben Einblick in ihre aktuelle Forschung und berichten, was das Stipendium für sie bedeutet.
Vergangenes mit der Gegenwart und der Zukunft verbinden
Dr. Aleksandra Kubiak-Schneider:
Für meine Forschung begebe ich mich regelmäßig auf Spurensuche in der
Antike und befasse mich mit archäologischen, epigrafischen und
geschichtlichen Aspekten der Religionen des Nahen Ostens in der Zeit vom
1. bis zum 3. Jahrhundert vor Christus.
Seit Oktober arbeite ich an den griechischen Inschriften aus Jerash, dem antiken Gerasa, einer Stadt im Norden Jordaniens. Zusammen mit meinem Mentor an der WWU, Prof. Dr. Achim Lichtenberger vom Institut für Klassische Archäologie und Christliche Archäologie, untersuche ich Steinmaterialien mit Texten wie etwa Altare, Architekturteile und Statuen.
Weitere Forschungsthemen, die ich aktuell untersuche, umfassen eine Studie über den mysteriösen Gott „Pakeidos“, der in Gerasa verehrt wurde, sowie den Kult des Gottes „Bel“ und seines göttlichen Sohnes „Nabu“ im Nahen Osten von der Zeit Alexanders des Großen.
Vor allem in der heutigen – vom technischen Fortschritt – geprägten Zeit finde ich es wichtig, Wissen über die Antike zu vermitteln und Prozesse aufzuzeigen, die die antiken Gesellschaften kennzeichneten und auch heute noch zu beobachten sind. Meine Arbeit verrät viel über die Wurzeln und die Identität der Menschen, die damals lebten und verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft.
Durch das Stipendium erhalte ich Zugang zu den virtuellen Bibliotheken der WWU. Für mich ist das eine große Chance, mir bisher unbekanntes Material in meine Forschung einzubinden. Durch regelmäßige virtuelle Treffen mit Achim Lichtenberger planen wir gemeinsame Publikationen, beispielsweise zu dem Kult des Gottes Pakeidos.
Außerdem leite ich im kommenden Sommersemester ein Seminar zur Archäologie von den antiken Städten Palmyra, Hatra und Dura Europos – ob digital oder in Präsenz ist noch offen. Ich würde mich allerdings sehr freuen, nach Münster zu kommen.
Entwicklung von neuen Lehr- und Lernkonzepten für die Fotokatalyse
Dr. Leyre Marzo:
Als Chemikerin arbeite ich auf dem Gebiet der Fotokatalyse. Dabei handelt es sich um chemische Reaktionen oder Umwandlungsprozesse, die durch die Bestrahlung mit sichtbarem Licht erfolgen. Bereits vor mehr als 100 Jahren beschäftigte sich der italienische Fotochemiker Giacomo Ciamician mit der Notwendigkeit, erneuerbare Energiequellen zu entwickeln, um den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu minimieren.
Seitdem hat sich die Fotochemie zu einem zentralen Bereich der Synthese entwickelt und bietet verschiedene Ansätze, chemische Prozesse unter umweltfreundlichen Bedingungen durchzuführen. Ihre gesellschaftliche Bedeutung ist meine Hauptmotivation, neue fotokatalytische Prozesse zu erforschen.
Trotz des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Interesses ist es jedoch nicht üblich, die Fotokatalyse in Lehrpläne des Chemiestudiums zu integrieren. Daher nutze ich das WiRe-Stipendium vor allem dazu, neue Lehr- und Lernkonzepte für diesen Bereich zu entwickeln.
Mit Prof. Dr. Olga García Mancheño vom Organisch-Chemischen Institut der WWU bereite ich ein theoretisches und praktisches Kursprogramm für Masterstudierende vor. Das neue Konzept soll als Leitfaden in einer internationalen wissenschaftlichen Bildungszeitschrift veröffentlicht werden. Wissenschaftler, Studierende und Lehrkräfte auf der ganzen Welt haben dadurch Zugang zu unseren Erkenntnissen.
Neben der Entwicklung der Lehrkonzepte verfolge ich eigene Forschungsideen, um eine akademische Karriere im hart umkämpften spanischen Wissenschaftssystem zu machen. Das Stipendium bietet mir eine ideale Plattform, um meine Netzwerk- und Führungsfähigkeiten zu erweitern sowie wissenschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen. Ich möchte eine langfristige Zusammenarbeit mit Olga García Mancheño aufbauen, um gemeinsam exzellente Forschung im Bereich der Fotokatalyse voranzutreiben.
Research@home Stipendien für exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen
Das Förderprogramm WiRe - Women in Research des International Office bietet Research@home-Stipendien für exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen in Coronazeiten an. Bewerben können sich internationale, weibliche PostDocs, die ein gemeinsames Projekt mit Professorinnen und Professoren an der Universität Münster durchführen und dies auch ohne vor Ort zu sein: Separated workplaces – joint research! Bewerbungen sind ab sofort möglich.
Quelle: WWU Münster (upm/kk) / Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 8, 16. Dezember 2020.
Foto: Nikolaus Urban