Münster - Die Fähigkeit von Zellen, mechanische Reize erkennen und beantworten zu können, ist für eine Vielzahl zellulärer Prozesse wichtig. Welche Mechanismen diesen Prozessen zu Grunde liegen, ist jedoch auf molekularer Ebene noch weitgehend unverstanden.
Forscherinnen und Forscher in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Carsten Grashoff am Institut für Molekulare Zellbiologie der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben nun herausgefunden, wie das in Muskeln vorkommende Bindungsprotein Metavinkulin die Übertragung mechanischer Kräfte in Zellen beeinflusst. Ihre Arbeit wurde jetzt in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht.
Hintergrund und Methode
Die Interaktion von Zellen mit dem umgebenden Gewebe werden von spezialisierten Strukturen – sogenannten Adhäsionsstrukturen – vermittelt, die mechanische Informationen in die Zelle hinein und aus ihr heraus leiten. Da diese Strukturen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Proteine bestehen, ist bislang unklar, wie mechanische Signale auf molekularer Ebene übertragen werden.
Um derartige Prozesse genauer verstehen zu können, entwickelt das Grashoff Labor an der WWU Biosensoren, mit denen durch mikroskopische Verfahren mechanische Kräfte von nur wenigen Pikonewton bestimmt werden können. Zum Vergleich: Ein Pikonewton entspricht einem Billionstel Newton. In der nun erschienenen Studie wurde diese Technik auf Metavinkulin angewandt, ein Adhäsionsprotein, das in Muskelzellen vorkommt und mit der Herzerkrankung Kardiomyopathie in Verbindung gebracht wird.
Indem eine Reihe genetisch veränderter Zellen von Mäusen mikroskopisch vermessen wurden, konnten die Autoren nun nachweisen, dass die Gegenwart von Metavinkulin die Art der molekularen Kraftübertragung beeinflusst. „Unsere Daten zeigen, dass Metavinkulin als mechanisches Dämpfer-Protein fungieren könnte, damit Muskelgewebe hohen mechanischen Belastungen besser standhalten kann“, erläutert Studienleiter Prof. Dr. Carsten Grashoff.
Dies sei ein interessantes Beispiel dafür, wie einzelne Proteine die Kraftübertragung in Zellen verändern können. „Überraschenderweise haben wir in den Zellen der Mäuse keinen Hinweis darauf gefunden, dass die Abwesenheit von Metavinkulin zu Kardiomyopathie führt.“ Das weise darauf hin, dass die Funktion des Proteins deutlich komplexer ist als bisher gedacht.
Finanzierung
Die Arbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Originalpublikation
Verena Kanoldt, Carleen Kluger, Christiane Barz, Anna-Lena Schweizer, Deepak Ramanujam, Lukas Windgasse, Stefan Engelhardt, Anna Chrostek-Grashoff, and Carsten Grashoff. Metavinculin modulates force transduction in cell adhesion sites. DOI: 10.1038/s41467-020-20125-z
Quelle: WWU Münster
Foto: Carsten Grashoff. Das Bild zeigt Fokale Adhäsionen (die roten und blauen Bereiche) in Mäusezellen, in denen Metavinkulin eine Verbindung zu dem intrazellulären Aktin-Zytoskelett (grün) herstellt.