Jeder hat seinen eigenen Entwurf vom persönlichen Glück, und es wird nichts Neues verraten, wenn man postuliert, dass Glück nicht selten mit Unglück für jemanden anderes einhergeht. Glück ist folglich, obwohl es nicht selten ein singuläres Phänomen in der Emotion ist, ohne andere Sozialisation kaum, oder vielleicht gar nicht existent.
Man mag jetzt vielleicht einwenden, dass man doch wenn man allein durch die Wüste trottet, ausgetrocknet bis auf die Knochen und plötzlich eine Oase findet, ein Glücksgefühl empfindet und sicher kann man das nicht bestreiten. Bei genauerer Betrachtung muss man diesem Glück allerdings zwei Prämissen zugrunde legen:
1. Man fühlt in jenem Moment Glück, weil einem auch die Alternative des Unglücks hinlänglich bekannt ist. Denn nur wer weiß, dass man ohne Wasser sterben würde, kann sich über den Fund desselben glücklich schätzen.
2. Woher weiß man das, also das dialektische Pendant des Sterbens, ist das ein Wissen a priori, also sobald wir aus dem Uterus entschlüpfen wissen wir, dass wir endlich sind, oder begreifen wir das nicht alle über unsere Umwelt. Also wir sehen verschieden alte Menschen und eine Tendenz der größeren Wahrscheinlichkeit eines Ablebens mit zunehmendem Alter.
Aber gehen wir an dieser Stelle
einmal von dem Umstand aus, das Sterblichkeit Wissen a priori. Wenn dem so
wäre, dann wäre das ja auch nichts Neues. Warum sich also über etwas Unausweichliches
freuen? Genau, weil man, im Gegensatz zu anderen eben nicht mit 20 von einem
Motorrad überfahren wurde oder mit 70 noch fiedel ist, während andere schon mit
Mitte 50 das Zeitliche gesegnet hat.
Auch an dieser Stelle zeigt sich, dass ein einzelner Mensch nie „wirklich“ glücklich sein kann. Denn wer freut sich schon darüber, dass man Fußnägel schneiden kann, oder dass da eine Stimme aus dem Äther kommt. Man kennt das doch, warum etwas „Normales“ feiern?
Ein letzter und für mich der
wahrscheinlich schönste Grund für die Notwendigkeit einer Sozialisation bei
Glück ist jedoch der, dass es sich noch schöner und intensiver
anfühlt, wenn man sein Glück teilen kann. An der, manchmal wildfremde Gesichter,
die liebkost werden, weil es einem plötzlich gut geht.
Laut schreiend durch Straßen rennen, weil man den Schmetterlingsflügelschlag in der Brust unbedingt hinaustragen muss: Alle sollen wissen, dass ich glücklich bin, und es wäre schön, wenn das alle anderen ansteckt. Je mehr Menschen glücklich sind, desto schöner das Glücksgefühl. Auch wenn die Perversion des menschlichen Geistes auf dieses Faktum die Hierarchie gesetzt hat, wenn mein Geschenk ein bisschen größer ist als das des anderen, dann fühle ich mich gleich noch besser. Obwohl man das ja gar nicht wissen kann, denn was einen glücklich macht und was nicht, das steht in der „Historie“ der Ereignisse eines subjektiven Seins, das zwar die Verströmung von Hormonen mit Belohnung konnotiert, aber den Befehl zur selben, ist bei jedem Individuum unique.
Ach ja, das Ausströmen von Hormonen, allein im Wald, wenn man dem Säbelzahntiger entflohen ist, funktioniert nicht ohne den anderen. Der Drang der Evolution ist von Fortpflanzung motiviert. Also warum sich über das singuläre Überleben freuen, wenn man es nicht teilen und weitergeben kann, dass man endlich ist, ist doch nichts Neues.
Bis morgen
Text: adolf.muenstermann@gmail.com
Bild: Pixabay