Der Mann mit der sonoren, unverwechselbaren Stimme hatte jüngst Erfolg mit einem Cover-Song von Phil Collins: "Take me home". Der Gitarrist Bernard Lammerding traf ihn in seinem Studio.
Bernard Lammerding: Sven, seit wann machst Du Musik?
Sven: Seit 1983, als 17-Jähriger bin ich angefangen.
Womit hast Du Deine ersten Erfahrungen gesammelt?
Sven: Als Keyboarder habe ich begonnen, und mir damals meinen ersten Synthesizer gegönnt (Monophon-Synthesizer). Das Keyboardspielen brachte ich mir praktisch selbst bei. Parallel nahm ich in einem Jugendheim Schlagzeugunterricht und dann Anfang der 90er Jahre professionellen Gesangsunterricht bei einer Opernsängerin. Es dauerte zehn Jahre bis meine Stimme wirklich ausgereift war, dass vieles was mir die Sängerin vermittelte auch wirklich verinnerlicht wurde, so 'ne Stimme entwickelt sich ja nicht von heute auf morgen. Es brauchte viel Übung und ich habe viele Selbsterfahrungen gesammelt, was dazu führte, dass ich immer besser wurde. Das erste halbe Jahr ging es nur ums Atmen. Es dauerte sechs Monate bis wir überhaupt ans Singen kamen. Sie hat mir alle möglichen Übungen auferlegt: Haltung, Bauchatmung, sich auf den Boden legen mit Gewichten, in meinen Fall mit Büchern, um einem Laien die Bauchatmung erfahrbar zu machen. Es dauerte wirklich Jahre bis du das so verinnerlicht hattest und deine Sprechstimme 'ne ganz andere wurde.
Hast Du als Sänger gearbeitet?
Ja, im Rahmen der Studioarbeit und live sehr oft. Ich bin für Produktionen als Sänger bezahlt worden. Aber ich habe jetzt keine Opernstimme. Als ich das Rüstzeug hatte fing meine Lehrerin (Opernsängerin) mit dieser Bel-Canto-Schule an: ein ‚a‘ soll nicht wie ‚a' klingen sondern wie ein ‚o' usw. Deshalb versteht man Opernsänger so schlecht. Da dachte ich mir: Bevor Du nachher klingst wie dieser Opernsänger, der auch Rock gemacht hat.
Hofmann?
Ja genau, Hofmann, bevor du dir die Stimme verdirbst: Danke fürs Rüstzeug…
Seit wann hast Du ein Studio?
Angefangen ein Studio aufzuziehen habe ich 1993 zusammen mit meinem damaligen Geschäftspartner Andreas Schneider auf der Nieberdingstraße. Das ging bis 2004. Anfang der 2000er fing das große Studio-Sterben an, weil viele Leute sich nen Rechner in den Proberaum gestellt haben und sehr viel günstiger an relativ gute Aufnahmen kamen. Die ganze Computertechnik hat den Studiomarkt total revolutioniert. Der Unterhalt für 150m² war dann viel zu teuer. Seit dem Umzug 2004 betreibe ich alleine ein kleines Projekt-Studio. Zum Tonstudio gehört für mich auch die Möglichkeit, dass man komplette Bands aufnehmen kann. Das heißt, dass ein separater Aufnahme- und Regieraum vorhanden ist. So war es früher. Jetzt habe ich diese Möglichkeiten nicht mehr. Meine Tätigkeit hat sich dahingehend verschoben, dass ich komplette Musikproduktionen abliefere. Das bedeutet, dass zum Beispiel Firmen auf mich zukommen, die für einen Industriefilm komplette Musik brauchen. Man ist sozusagen vom Tontechniker zum Musikproduzenten geworden. Gleichzeitig ist man auch ein bisschen als Komponist tätig.
Welche Musikrichtungen mischt Du ab? Hast Du da Prioritäten, Genres? Gibt es Tabus für Dich?
Durch die Vereinheitlichung der Computertechnologie ist der Datenaustausch zwischen Studios heutzutage sehr viel einfacher. Vor 20, 30 Jahren gab es unterschiedliche Bandformate, beim Aufkommen der Digitaltechnik, bei den analogen Maschinen sowieso. Heutzutage gibt es nur noch 2 Dateien, d.h.: Die Musiker gehen in die Studios nach Wahl. Dort können Sie in kompletten Aufnahmeräumen ihre Musik so aufnehmen und mischen lassen, wie es ihnen zusagt. Von daher ist es für die Musiker einfacher geworden. Insofern kann ich im Prinzip alles mischen. Bei rechtsradikaler Musik würde ich natürlich abwinken. Aber Berührungsängste mit irgendwelchen Genres habe ich nicht.
Was hat sich vom Aufgabenfeld verändert?
Im alten Studio haben wir im Zeitraum von 1993 bis 2004 über 100 Bands aus Münster aufgenommen. Da ging es primär darum die Bands aufzunehmen und sauber und vernünftig zu mischen. Das Studiosterben setzte etwa 2000 ein, worunter wir natürlich auch gelitten haben. Heute mische ich weniger ab. Vielmehr kommen Leute auf mich zu, die schon komplette Musik wollen, z.B. bei ‚Trommelzauber'*. Da wird mir gesagt: Hier sind die Akkorde und das Tempo. Ich brauche dazu jetzt ein afrikanisches Arrangement. Mach es groovig, setze Polyrhythmen ein usw. Man hat sich vom Tontechniker mehr zum Produzenten entwickelt.
Kommen die Leute mit genauen Vorstellungen? Inwieweit werden Deine Ideen umgesetzt?
In der Regel kommen sie mit genauen Vorstellungen. Wenn ich einen Industriefilm zur Vertonung habe, arbeite ich komplett als Komponist. Der Kunde hat eine Scene und stellt sich ne Rocknummer vor oder was Jazziges. Dann musst du komplette Musik abliefern. Dann bist du in dem Moment auch Komponist. Andere kommen mit einer Melodie, Akkorden und einer Tempovorstellung und möchten, dass ich das für sie arrangiere. Da sind dann auch Deine Ideen gefragt, wenn auch nicht in der Art und Weise, wie wenn du den Song selbst schreibst.
Wo siehst Du Dich mit dem Studio in zehn Jahren? Das ist jetzt so eine Klassiker-Frage, ne?
S. H.: Oh! Ich bin eigentlich im Großen und Ganzen zufrieden. Ich würde mir wünschen, mit meinen eigenen Sachen noch mehr Erfolg zu haben.
Das bedeutet, dass Du auch eigene Produktionen von Dir machst.
Ja, ich mache mit nem guten Freund seit 1997 das Band-Projekt ‚The first days of spring'. 1998 haben wir unsere erste CD rausgebracht. Wir hatten damals viel live gespielt aber dann ist es sehr ruhig um uns geworden. Das wollen wir jetzt wieder neu aufziehen. Das sind nur eigene Songs.
Du hast auch Jingles gemacht.
Ja, häufig für Pro7 in den 90ern, jetzt, seit ein paar Jahren auch für den WDR in Köln.
Im Moment hab ich's wegen meines Hauptkunden ‚Trommelzauber', sehr zu meinem Leidwesen, runtergefahren. Jetzt in der Corona-Krise läuft ja gar nichts momentan mit Trommelzauber. Deswegen fahre ich das mit den Jingles wieder hoch.
Wie zeigt sich Deine Studioarbeit in der Corona-Krise?
Es ist natürlich ein erheblicher Einschnitt, weil heutzutage CD's kaum mehr über den Ladentisch verkauft werden, sondern hauptsächlich bei Konzerten. Dadurch geht natürlich die ganze CD-Produktion zurück. Das trifft mich natürlich auch.
Dein Hauptkunde war Trommelzauber?
Ja, war es in den letzten Jahren. Da entstand ein Riesen-Boom. Die haben im Jahr mit 100.000 Kindern getrommelt in vielen Kindergärten und Grundschulen in Deutschland. Das bedeutete zwischen 300 und 350 Konzerte im Jahr mit mehreren Teams. Jetzt im Zuge der Corona-Krise läuft da nichts mehr. Die letzte CD haben wir im März/April fertig gestellt. Selbst wenn es im nächsten Jahr langsam wieder losgehen sollte, wenn der Impfstoff kommt, werden sie mit dieser neuen CD arbeiten. Bis ich dann wieder zu tun bekomme bei diesem Projekt wird es vielleicht noch ein oder zwei Jahre dauern. Dies bedeutet, daß ich im Moment viel Akquise mache, alte Kontakte wiederaufleben lasse, zum WDR, zu einigen Filmfirmen in Münster, z.B.: Tschagga-Films usw.
Bist Du mit Deiner Studioausstattung zufrieden?
Im Großen und Ganzen ja. Es gibt immer mal Sachen, in die man investieren könnte: Ein neuer Rechner, heute mehr als früher. Als wir anfingen Musik zu produzieren, mussten wir uns mit sehr viel weniger zufriedengeben, haben aber trotzdem, wie ich meine, gute Arbeit geleistet. Dadurch, dass die Computertechnologie in den letzten 20, 30 Jahren einen Riesen-Sprung gemacht hat, hat man heute Möglichkeiten, von denen man früher nur geträumt hätte. Die Möglichkeiten heutzutage sind schon fantastisch.
Jetzt etwas Persönliches:
Was interessiert Dich außer Musik? Hast Du Hobbies?
Graphik, ich wollte mal Graphik- Design studieren. Dafür war ich aber nicht gut genug. Ich bin seinerzeit an der Fachhochschule für Graphik-Design nicht angenommen worden. Ich hab dann Sozialpädagogik studiert, nicht abgeschlossen, weil das ab 1993 mit dem Studio zu viel wurde
Aber das Graphik- Interesse ist geblieben?
Das immer noch. Ich entwerfe auch gerne Cover, da habe ich Spaß daran.
Welche persönlichen Wünsche hast Du noch? Was würde Dich reizen, was Du nochmal gern machen würdest?
Reisen würde mich mehr interessieren. Ich leide ein bisschen unter Flugangst, obwohl ich schon geflogen bin. Daran muss ich arbeiten.
Letztendlich bin ich zufrieden, weil es erfüllend ist, sein Hobby zum Beruf zu machen. In meinem Fall ‚Musizieren‘. Ich kann mir auch nicht vorstellen mit 65, wenn ich in Rente bin, damit aufzuhören.
Es ist zeitlos, ne?
Genau, solang man alle Sinne beisammen hat, es ist einfach befriedigend und macht Spaß. Man ist phasenweise glücklich, auf jeden Fall zufrieden.
*Trommelzauber ist ein Trommel-/Percussion-Ensemble. Es wurde von Johnny Lamprecht, u.a. Diplom-Theologe, Musiker, Produzent und Autor, bei seinem Aufenthalt im Senegal, wo er das Trommeln erlernte, entwickelt. Das Ensemble sucht Kindergärten und Schulen auf um mit den Kindern zu trommeln.
stadt40 Bernard Lammerding bedankt sich bei Svobodan für das tolle Interview und wünscht Ihm alles Gute und viel Erfolg für seine Kariere!
Sven ist per Facebook zu erreichen unter SVO bodan