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Nanny aus Nazareth?

Kurz bevor Jesus am Kreuz starb, waren seine letzten Worte: „Es ist vollbracht.“ Aber was war das, das vollbracht ward? Der Tod am Kreuz, die Erlösung. Die Befreiung vom Leben? Und darf man heute, einen Tag nach Heilig Abend sagen: Es ist vollbracht?

Der hinter uns liegende Event gibt zweierlei Möglichkeiten der Herangehensweise: eine theologische und eine geschichtliche. Zumindest wenn man sich auf das Buch der Bücher, also die Bibel bezieht.

Geschichtlich bietet die Bibel nur rudimentär Aufschluss. So erkennt man Parallelen in einzelnen relevanten Strömungen, wie  der Herrschaft des römischen Reiches oder einer sakral verunsicherten Bevölkerung im Wahn des Suchenden. Unzählige Heilsversprecher säumten die sandigen Wege von Nazareth, Betlehem und Jerusalem. Zwischen Kamelen, Eseln, Maultieren und mehr oder weniger erfolgreichen Gläubigen, zogen Wanderprediger umher, unzählige, die in Anlehnung an verschieden vertretenen Religionsgemeinschaften Interpretationsmöglichkeiten boten, die sich zwischen Apokalypse und Utopie ansiedelten. Der Unterschied zu Jesus war jedoch, dass dieser erstmalig pazifistisch argumentierte, obwohl auch ihm Gewalt und Jähzorn nicht fremd waren. So randalierte er an Palm Sonntag in und vor der Synagoge, um den kapitalistisch instrumentalisierten Glauben anzuprangern. Möglicherweise ein Vorbild für die von Martin Luther etwa 15oo Jahre später umwälzende Reformationsbewegung.


Aber auch theologisch, also religiös, ist das Werk, das unter Kaiser Konstantin  (etwa 300 nach Christus) selegiert und glorifiziert wurde, kein eindeutiges Maifest. Die Zusammenstellung verschiedener Perspektiven in Form von „Briefen“ an diverse Bevölkerungen verschiedener Regionen, birgt Widersprüche. So spricht Paulus bereits zu Anfang vom Messias, während Markus erst im 18. Brief auf diesen Umstand hinweist. Es dauerte etwa einhundert Jahre, bevor sich die katholische Strömung von der jüdischen emanzipierte. Bis dahin waren „Gemeinden“ eher Hausgemeinschaften oder Nachbarschaften, die sich an verschiedenen Orten trafen, um über die richtige Interpretation der Geschichte desjenigen zu disputieren, der als Heiland, den niedersten Tod sterben musste und dies auch tat.


Ob Jesus auferstanden ist oder nicht, wird wissenschaftlich überwiegend einer Ohnmacht zugesprochen, die versucht, einen Umgang mit dem Unmöglichen zu finden. Alle Überlieferungen, die uns heute vorliegen sind „nur“ Ab- oder Niederschriften“ von Originalen. Man wird nie erfahren, ob die Originalzitate nur verschriftlicht, paraphrasiert (anders ausgedrückt) oder gar redigiert, also auch inhaltlich verändert wurden. Legt man die wissenschaftliche Arbeitsweise des Mittelalters zugrunde, das ab etwa 500 datiert wird, so traute man sich lediglich, bestehende Arbeiten zu kommentieren, ob das jedoch auch vorher der Fall war, bleibt umstritten.  Selbst die erste Bibelübersetzung  ins Gotische von Bischof Wulfila (etwa 350 n. Chr.)  ist eine direkte Interpretation und keine reine Übersetzung, warum sollte das folglich nicht auch bei den Evangelien des neuen Testamentes der Fall sein?


Jesus war keine (Super-)nanny aus Nazareth für verzogene Erwachsene, sondern ein Ratgeber, eher ein Peter Zwegert der Seele. Er riet den Menschen zur doppelten geistigen Buchführung. Für mehr Bewusstsein in die eigenen Handlung, dessen Verantwortung man sich bei allem Glauben nie entziehen kann, denn ob man die Zeichen als göttlich interpretiert und darüber hinaus ggf. ihnen Folge leistet, entscheidet man immer noch selbst.


Am Ende bleibt nicht mehr als der Glaube an Gott oder die Natur, an Natur als Gott oder an sich selbst. Der Glaube an die Natur als Gott ist dabei übrigens das Gnostische, was von der Theologie mit aller Kraft negiert wurde. Gott ist mehr als ein „Naturgeist“, sagt man bei den Katholiken, obwohl es „verbotene“,  gnostische Evangelien gibt, beispielsweise die von Didimos Judas oder Maria Magdalena, die, etwa 1947 von Beduinen im heutigen Irak entdeckt wurden. Die  aufgefundenen Papyrusrollen sind ein eindeutiges Indiz für den selektiven Eingriff in die Geschichte der Bibel, sie waren bzw. sind Fragmente, die vormals das Potential für die Aufnahme ins Neue Testament besaßen, aber aufgrund eines notwendigen Konsenses zwischen diversen katholischen Strömungen notwendig war, um sie als „Kirche“ zu einen, die von nun an als Moralmaxime einer neuen Zeit und als Staatsreligion dienen sollte.


Das ist aber auch alles sekundär. Wie Benedikt  der IVX. es auf den Punkt bringt: Es ist das Unfassbare, das die Essenz des Glaubens und seine Kraft ist. Die unbefleckte Empfängnis ist kein unumstrittener Tatsachenbestand, sondern Synonym für das Wunder, das man mit Jesus in Verbindung bringen soll. Er trotze der Physik und dem klaren Menschenverstand, indem er Wasser zu Wein, Tote zum Leben und Füße zum übers-Wasser- gehen machte. Da war für jeden etwas dabei, um den Glauben und das Unfassbare am maybe „Hewiland" in seiner Welt verdeutlichen konnte und sollte.

 

Meines Erachtens ist Gott weder Mann noch Frau und Jesus auch „nur“ einer, der verstanden hat. Gott ist der Glaube an sich und das Gute. Gott ist der Wille und Wunsch, sein Leben positiv zu gestalten und zu betrachten. Nur wer Gutes erwartet, dem wird auch selbiges widerfahren. Weil er oder sie oder es das Schicksal herausfordert haben, es muss also etwas passieren und die Sensibilität der Perzeption (Wahrnehmung) macht es möglich, auch in kleinen Dingen ein großes Wunder zu sehen.


Das kann am Tag danach heißen:" Ich hab es überlebt“. Oder: „Wie schön, dass ich es überlebt habe“. Und manchmal auch „Danke, dass ich es erleben durfte.“ Nicht das, was man monetär bekommen hat, sondern das transzendentale Potential, einen Moment genießen zu können, zu feiern und zu danken, dass es Einen und all die anderen gibt.

 

Bis morgen,

 

Text und Bild: adolf.muenstermann@gmail.com