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Sprachlose Silbophonie

Der am 23. November 1920 in Großrumänien geborene Dichter Paul Celan, der ursprünglich Paul Antschel hieß , später rumänisiert Ance, woraus das Anagramm Celan entstand, komponierte eine der sprachlosesten Silbophonien aller Zeiten: Die Todefuge.

Und warum sollte diese in Worte gebannte Grausamkeit, die formals Todestango (lat. Ich berühre) heißen sollte, ausgerechnet an Weihnachten wieder ausgegraben werden?

Weil die Todesfuge uns an die niederen Geheimnisse unseres Seins erinnert. Sie markiert ungezügelte Triebe, motiviert von blinder Leidenschaft mit katastrophalen Konsequenzen.  Mit dem Ziel ewiger Margarete als synonym der Helena, verkörpert das goldene Haar den Wunschtraum des intellektuellen Schlangentänzers. Er giert, wie wir alle, nach einem Ideal, das in der Manie der Nationalsozialisten arisch, blond und gebärfreudig war und heute unverhofft eine Renaissance erfährt.

Das Grab in den Wolken aus Kurt und Bettina, Hanna und Salem thront reichhaltig über den kalkbedeckten Särgen von 461255 bis 462 000. Und alle atmen die Luft, inhalieren die schwarze Milch, morgens, mittags und abends. Jeden Tag. Und mit jedem Leichnam im Hochofen  brauner Uniformen wird die Melodie des Lebens zu einem „spielt süßer den Tod“, das alle umfängt. Keine Süße nicht zum Naschen einlädt, sondern Juden und Sintis, Homos und Beeinträchtigte auslädt. Aus Gesellschaft und Würde. Mit Gas, Feuer und Pistolen aus dem Leben.

Nur aus dem Gedächtnis kann man sie nicht verbannen. Mit jedem Wort von Paul Celan, strandet der Wanderer nach Spa (Heinrich Böll) im Schulgebäude der Seele eines jeden Lesers. Und während Adorno allein den Versuch, nach Ausschwitz wieder deutsche Literatur über das Dritte Reich zu tabuisieren versuchte, schwelte die Glut der Vergangenheit in den Köpfen der Nachwelt als Erbsünde, die kein Mensch ertragen kann.

Das Ende des dritten Reichs prophezeiend positionierte Celan das Konzentrationslager in den Garten von Faust II und ließ den blinden Meister zum Gespielen des Teufels (Mephisto/Schlange) während draußen der Belzebub dem Führer bereits sein Grab schaufeln lässt.

Schwarze Milch der Frühe – Wenn das Böse das Böse besiegt. Wenn das Synonym des Lebens aus einem dunklen Busen quillt, werden düstere Geheimnisse zur notwendigen Inhärenz des Lebens danach. Aus der Quelle des Lebens strömt auch das Potential des Niederträchtigen. Der Egoismus in der Notwendigkeit des überleben Wollens.

Und der Meister aus Deutschland, der Sohn einer Gesellschaft der Dichter und Denker versinkt in die Idee des optimierten Urprinzips. Dem Wandel des „ was die Welt im Innersten zusammen hält“ zu „das die Welt im Innersten zusammen hält". Aus dem Meister aus Deutschland wird „der Tod ist ein Meister aus Deutschland, sein Auge ist blau“, der vom Teufel besiegt wird.

Rüden werden gehetzt, während die Kugeln fliegen, und von Meister bis Nummer Unbekannt tanzen alle den Todestango zur Melodie der süßesten schwarzen Mich, die wie ein trojanisches Pferd im Gewand des Positiven dem Düsteren die Bühne bereitet.

Und das goldene Haar Margaretes transformiert sich zum schwarzen Kopfschmuck von König Salomon. Die Idee der arischen Euthanasie gerät zur Geburtsstunde einer unwiderstehlichen hebräischen Geliebten, Die Kinder des Wahns werden zu Verführern des Guten. 

Die Todesfuge wird zur Vulva des Lebens. 


Text und Bild: adolf.muenstermann@gmail.com