Heute soll es jedoch nicht um den Kleinbürger im Sinne von Status gehen, sondern um den Kleinwüchsigen. es geht um die Napoleons, Woody Allens, Tom Cruises, Bernie Ecclestones oder andere Männer, die mit eher niedrigem Körperwuchs Übermenschliches erreicht haben.
Natürlich handelt es sich nicht um einen genetischen Vorteil, wie es übrigens auch keinen nachweisbaren in Bezug auf Kreativität bei Linkshändern gibt, sondern eher um die Kultivierung einer Not, die erfinderisch macht.
Kleine Männer haben in ihrer Kindheit meist unter mangelnder Körpergröße gelitten. Mädchen entwickeln sich früher als Männer und wenn dann das männliche Pendant auch noch langsamer erwachsen wird, hat man als Mann nur zwei Möglichkeiten: kapitulieren oder opportunieren.
An dieser Stelle soll aber nicht von den, sicher auch zahlreichen „Verlieren“ ihrer Körpergröße die Rede sein, die mit Sicherheit ähnlich erfolgreich wie die berühmten Vertreter ihrer Zunft zu sein versucht und bemüht waren, sondern von jenen, die mit der Macht des Aikido ihre eigene Stellung ausbauen konnten.
Ein kleiner Mann schlägt meist nicht zu wie ein Großer, auch wenn es immer wieder Ausnahmen davon gab, gibt und geben wird. Sylvester Stallone, beispielsweise. Aber die Winzlinge der Gesellschaft kennen den, der physisch überzeugende Argumente dafür aufweisen kann. Überhaupt die Physis ist der Schlüssel zum Glück der Unterprivilegierten des Körperwuchses.
Kurz: Der kleine Mann muss improvisieren und zwar immer. Wo andere vor der Tür warten, nimmt der Kleene das Kellerfenster. Der Kleine stiehlt nicht Wodka sondern Champagner, schließlich soll es sich ja wenn lohnen. Und wenn es bei Müllers Spaghetti gibt, überzeugt(e) Sarkosi Carla Bruni (oder eine Vorgängerin) möglicherweise mit einem Scampi Salat in der U-Bahn, garniert mit der Melodie eines „zufällig“ anwesenden Geigers.
Ihr Defizit sensibilisiert sie für die körperlichen Vorteile und gleichzeitig für die geistigen. Sie weben geschickt ein Netz aus Köpfen und Körpern und machen sich dabei nicht selten zur Vogelspinne inmitten. Und weil kleine Männer oft genug davon überzeugt wurden, dass Liebe keine Frage des Herzens sondern der Situation ist, kämpfen sie meist ihr Leben lang um die Anerkennung, die Normalwüchsige von Haus aus bekommen.
Sie trauen dem Braten nicht, obwohl sie selbst immer wieder verfallen, der Schönheit, dem Geist oder der Zuneigung.
Und weil Kleine Männer wissen, dass sie physisch nicht imponieren können, arbeiten sie stets an ihrer Kreativität, dieses Defizit zu kompensieren. Es ist folglich beispielsweise kein Wunder, dass kleine Männer oft große Frauen haben. Auf normalgewachsene Männer wirken Frauen mit extrem langen Beinen meist beängstigend. Sie fürchten den Verlust von Respekt unter der Knute einer großen Königin. Für kleine Männer sind beinahe alle Frauen groß, weshalb der er keinen Unterschied in seiner Strategie machen muss. Das führt dazu, dass die nicht selten groß gewachsenen einsamen Damen der Gesellschaft, von kleinen Herren mit viel Esprit umgarnt werden. Da regnet es Rosen, Liebesbriefe und große Pläne, die nicht selten unerreicht bleiben, weil auf die Waffen des kleinen Mannes eine Mainstreamgesellschaft nicht vorbereitet ist.
Die Lorbeeren schmücken dann den Kopf des Siegers, aber die Kaiserin wird mit Geschenken überschüttet. Sie ist der Grund des Erfolges, weil leidenschaftliche Bewunderung der Motor für Unmögliches ist.
Und das alles, weil der kleine Mann keinem Sieg traut. Er weiß zu gut, dass Reputationen meist Günstlingsargumente sind, weshalb der kleine Mann nie aufhört zu kämpfen. Für den Ruhm, aber vor allem für die Liebe, nach der sich kein Mensch so sehnt wie kleine Männer.
All ihr Streben gilt eigentlich nur der Anerkennung als sie selbst: seht her, was alles in mir steckt! – Obwohl er eigentlich nur sagen möchte: Bitte liebe mich!
Ob der kleine Mann zu beneiden ist, bleibt folglich fraglich. Sicher, sein Leben ist mit intensiven Ereignissen geschmückt wie das Diadem einer Josephine, aber die Saphire auf der Brust der Angebeteten stehen nicht nur für brennende Leidenschaft, sondern auch für Blut, Schweiß und Tränen. Denn bedingt durch den (Über-)Mut, nichts zu verlieren zu haben, wagen sich die Dustin Hoffmans aller Zeiten nicht nur an das fast Unmögliche. Und die Konsequenzen daraus hinterlassen meist tiefste Wunden in einer Seele.
Weshalb der
größte Triumpf für kleine Männer nie Geld, sondern immer nur Liebe sein kann,
die mit den Tränen eines Phönix jede Wunde zu verschließen weiß.
Text und Bild: adolf.muenstermann@gmail.com