So zumindest ging es mir, als ich für meinen Artikel über Hofläden im Münsterland das Gut Kinderhaus besuchen durfte. Das Gespräch mit der Pressereferentin Birgit Honsel-Ackermann machte mich neugierig. Da aber der Artikel primär das Thema Hofladen behandeln sollte, blieb wenig Raum für weitere Informationen. Weil mir aber soziale Arbeit ohnehin am Herzen liegt, ich zudem umfassendes Informationsmaterial überreicht und die Bereitschaft zu weiteren Gesprächen signalisiert wurde, war sofort klar: Fortsetzung folgt!
Das Gut Kinderhaus ist nur eines der Angebote der Westfalenfleiß GmbH, soll jedoch anknüpfend an meinen Besuch den Anfang machen. Hier arbeiten zur Zeit 40 Menschen mit Beeinträchtigung, 37 Frauen und Männer wohnen auf dem Hof. Gleichzeitig ist das Gut mit vielfältigen Angeboten und Veranstaltungen ein Ort der Begegnung für alle Menschen und macht Inklusion erleb- und lebbar.
Nicht nur der Hofladen lockt die Besucher, auch der Patenbaum-Garten, die Alpakas, die Pferde, Hühner und Ziegen begeistern Groß und Klein. Das Café, mit großzügigem Biergarten vor der Tür, sorgte vor Corona für das leibliche Wohl der Gäste und wird dies auch nach Corona tun.
Die auf dem Gut beschäftigten Menschen mit Behinderung arbeiten zusammen mit den Mitarbeitern der Westfalenfleiß GmbH auf den riesigen Obstplantagen, in der Landwirtschaft, im Café, im Hofladen oder kümmern sich um die Versorgung der Tiere. Diese sind übrigens nicht nur zum Streicheln da.
Tiergestützte Förderprogramme bieten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit und ohne Behinderung pädagogische und therapeutische Bewegungserfahrungen in der Natur.
Und wer immer schon einmal eigenes Gemüse pflanzen und ernten wollte, kann von April bis November eine der 26 Parzellen auf dem Gut pachten. Unterstützt werden die Garten-Neulinge von den Mitarbeitern des Hofes.
Die Westfalenfleiß GmbH ist ein gemeinnütziges Unternehmen in Trägerschaft der AWO Bezirk Westliches Westfalen e.V. und der Lebenshilfe Münster e.V..
Rund 900 Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung sowie psychischen Erkrankungen arbeiten hier. Der Wohnverbund bietet darüber hinaus für rund 360 Menschen ein Zuhause, welches den individuellen Bedürfnissen durch verschiedene Wohnkonzepte Rechnung trägt.
Von einer intensiven Rund-um-die-Uhr-Assistenz, bis zur temporären, ambulanten Unterstützung - von der Wohngruppe bis zum dezentralen integrativen Wohnen. Erklärtes Ziel der Westfalenfleiß GmbH ist die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben mit und in der Gesellschaft. Inklusion ist der Leitgedanke allen Handelns. Im Sinne dieses Gedankens wurde 2002 die MDS GmbH - der Münsteraner Dienstleistungsservice gegründet.
Die MDS GmbH, als gemeinnützig anerkanntes Inklusions-Unternehmen, bietet Menschen mit Behinderungen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. 140 Menschen, mit und ohne Beeinträchtigung, arbeiten professionell in den Bereichen Großküche, Betriebsgastronomie, Individualgastronomie Bistro-, Catering und Eventmanagement. Übrigens betreibt die MDS GmbH auch das Café auf dem Gut Kinderhaus.
Die Werkstätten der Westfalenfleiß GmbH bieten den Mitarbeitern und Beschäftigten vielfältige Möglichkeiten der Arbeit im geschützten Raum. So wird in der Schreinerei im Kundenauftrag gezimmert und gehämmert. Letzter Großauftrag: An die Rund 3500 Nistkästen für den LANDLUST-Shop. In der Textilwerkstatt wurden in der Zeit der Lieferengpässe im ersten Lockdown, wie soll es zur Zeit auch anders sein, Corona-Schutzmasken genäht.
Die Westfalenfleiß GmbH bietet Praktikumsplätze für Schüler und Studierende in unterschiedlichsten Bereichen, in denen sich die Praktikanten ausprobieren und ihre individuellen Stärken entdecken können. Nicht selten geht es über das Praktikum in eine Berufsausbildung mit anerkanntem Abschluss oder in ein späteres festes Anstellungsverhältnis.
Den Herausforderungen der Corona Pandemie begegnete die Westfalenfleiß GmbH mit Teamgeist und Zusammenhalt. Natürlich steht Gesundheit und Schutz von Mitarbeitern, Werkstattbeschäftigten und Bewohnern an erster Stelle. Damit es nach dem Betretungsverbot im ersten Corona-Lockdown weiterging, mussten jedoch auch Kunden und Wirtschaftlichkeit gesichert werden. Eine reduzierte Kernmannschaft arbeitete weiterhin in den Werkstätten, einige Arbeiten wurden ins "Home-Office" verlagert.
Um dem erhöhten Betreuungsbedarf in den Wohnstätten gerecht zu werden, wechselten Angestellte Mitarbeitende der Westfalenfleiß GmbH aus der Werkstatt in den Wohnbereich und boten nicht nur Unterstützung bei den in die Wohnhäuser verlagerten Werkstatttätigkeiten im täglichen Leben, sondern auch zahlreiche Spiel- und Bastel-Angebote sowie andere Freizeitaktivitäten an. Auch die MDS GmbH musste sich etwas einfallen lassen. Veranstaltungen finden nicht statt und einige Mitarbeiter sind, wie viele andere auch, in Kurzarbeit. Inzwischen hat sich jedoch, der auf die Schnelle initiierte, Lieferservice für Firmen und Privathaushalte etabliert und soll auch nach Corona fortgeführt werden.
Das Konzept Arbeiten und Wohnen der Westfalenfleiß GmbH ist weit mehr als nur caritative Betreuung. Es beeindruckt durch Vielfalt und Engagement. Es fördert und fordert die Menschen mit Behinderung im Sinne einer individuellen Entwicklung - für ein selbstbestimmtes Leben mit und in der Gesellschaft.
Fotos: Christiane Gasche