Münsterland/Emscher-Lippe-Region. - Die Corona-Pandemie hat viele Branchen der nord-westfälischen Wirtschaft zum Jahreswechsel weiterhin oder erneut fest im Griff. Dennoch blickt die IHK Nord Westfalen mit „verhaltener, aber begründeter Zuversicht“ ins neue Jahr. „Für den Start der Wirtschaft in 2021 ist entscheidend, wann wir den zweiten Lockdown beenden und ob wir einen weiteren vermeiden können“, betont IHK-Präsident Dr. Benedikt Hüffer. Mit dem Beginn der Massenimpfung hätten viele Unternehmen wieder eine Perspektive.
„Die konjunkturelle Erholung hatte bereits Fahrt aufgenommen und ist durch die zweite Infektionswelle unterbrochen worden“, begründet Hüffer seine Zuversicht und Hoffnung auf die Fortsetzung dieser Entwicklung. Je nach Verlauf der Pandemie erwartet Hüffer schon im Frühjahr eine deutliche konjunkturelle Belebung. Vor allem die Aussichten der regionalen Industrie hätten sich weiter verbessert. Die steigende Nachfrage insbesondere aus China, die berechtigte Hoffnung auf Entspannung in den Handelskonflikten mit den USA und aktuell das Handelsabkommen mit Großbritannien hätten die Stimmung im produzierenden Gewerbe aufgehellt.
Hüffer rechnet damit, dass die nord-westfälische Wirtschaft aufgrund der Vielzahl von mittelständischen Familienunternehmen und der großen Branchenvielfalt insgesamt „auch durch diese Krise besser“ kommt als die Wirtschaft in anderen Regionen. Darauf deuteten schon die Industriezahlen für die ersten drei Quartale des laufenden Jahres hin. Danach war der Gesamtumsatz der Betriebe im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region deutlich weniger stark gesunken als im Landes- und Bundesdurchschnitt. Auch der Rückgang der Beschäftigtenzahlen war schwächer.
Da die industrielle Produktion im zweiten Lockdown auch dank intakter Lieferketten weitgehend stabil läuft, geht die IHK davon aus, dass sich der Aufholprozess zumindest in diesem Bereich der Wirtschaft auch im vierten Quartal fortgesetzt hat. „Ähnlich wie nach der Finanzkrise könnte die Industrie damit der Motor für den Aufschwung werden und über die Sicherung von Arbeitsplätzen auch das Konsumklima zumindest stabilisieren“, hofft Hüffer. Trotz des erwartbaren Aufwärtstrends sei es noch ein langer Weg zurück zur Normalität und zum Niveau vor Ausbruch der Krise. Ein genaueres Bild zur Lage der regionalen Wirtschaft liefert die IHK Nord Westfalen nach Auswertung der derzeit laufenden Konjunkturumfrage.
Große
Sorgen bereiten Hüffer die am stärksten von den Corona-Schutzmaßnahmen
betroffenen Branchen wie etwa die Veranstaltungs- und Messewirtschaft,
aber auch die Gastronomie und der Handel in
den Innenstädten und Ortszentren. „Die Unternehmen haben sich in der
Krise äußerst flexibel, kreativ und innovativ gezeigt“, resümierte er.
Der Digitalisierungsschub, den viele Unternehmen mitgemacht hätten, habe
vielfach das Geschäft aufrechterhalten. „Dennoch
konnten die meisten Unternehmen den Umsatzeinbruch nicht ausgleichen“,
weiß Hüffer. Die Corona-Krise habe die Entwicklung zum Onlinehandel auf
den zentralen Plattformen enorm beschleunigt. Es bleibe eine der
zentralen Herausforderung, den stationären Einzelhandel
„stärker online ins Geschäft zu bringen“ und den sich ankündigen Wandel
in den Innenstädten und Ortszentren zu meistern.
Aufgrund ihres Netzwerks und ihrer gesetzlichen Aufgaben sei die IHK vom ersten Tag an auf allen Ebenen im engen Austausch mit der Politik gewesen, berichtete IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel. „Wir konnten in der Krise unsere Rolle als verlässlicher Partner der Politik wie auch unserer Mitgliedsunternehmen unter Beweis stellen“, bilanzierte Jaeckel zufrieden „ein auch für die IHK sehr herausforderndes Jahr“. Einen wahren Ansturm erlebte die IHK-Finanzhotline, die schon in den ersten drei Monaten mehr als 15.000 Unternehmen nutzten. Über das Jahr gesehen verbuchte die IHK allein hier rund 28.000 Anrufe. Ein ziemlicher Kraftakt sei es zudem gewesen, die über 9.200 Abschlussprüfungen in der betrieblichen Ausbildung durchzuführen.
Einen spürbaren Rückschlag hingegen hat trotz aller Anstrengungen der Ausbildungsmarkt erlitten. Auch wenn der Rückstand bei den neuen Ausbildungsverträgen in IHK-Berufen von anfangs 20 Prozent bis zum Jahresende verringert werden konnte, bleibt eine Lücke von über elf Prozent. Statt 9.609 wie zum Ende des vergangenen Jahres verbuchte die IHK Nord Westfalen im Corona-Jahr bis Anfang Dezember nur 8.529 neue Ausbildungsverträge. „Mit dem Aufholprozess der Wirtschaft insgesamt müssen wir alles dafür tun, die Zahl der neuen Auszubildenden wieder auf das Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie zu steigern“, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel. Schon bald werde ansonsten angesichts der Konjunkturprognosen der Fachkräftemangel wieder das größte Hindernis für eine positive wirtschaftliche Entwicklung sein.
Fotos/Bildzeilen (Roman Mensing):
Dr. Benedikt Hüffer, Präsident der IHK Nord Westfalen (Titelbild)
Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen