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Neues über die Gier

Und, was wussten Sie heute zuerst: Dass Sie keinen Kaffee mehr im Haus haben, oder dass in China ein Sack Reis umgefallen ist? Neugierde ist schon merkwürdig und setzt oft strange Prioritäten. Was ist das also: Neugierde?

Das Wort an sich nennt man in der Linguistik ein Kompositum, also die Zusammensetzung zweier morphologischer Spracheinheiten Wort, nämlich „neu“ und „gierde“. Letzteres ist jedoch in der Schreibweise nicht uninteressant. Die Präteritale Tempusform „gierte“ deutet auf etwas in der Vergangenheit Abgeschlossenes. Er/Sie oder Es gierte nach etwas Neuem, obwohl das nicht ganz richtig scheint, denn das Neu steht vor dem „gierte“ und nicht dahinter, weshalb es wohl eher auf ein „(er-)neu(t)“ „gierte“ deutet. Der Agens, also der Handelnde oder Agierende, da war es schon wieder, dieses „gier“, übrigens mit der altgriechischen Verneinung „a“ vor dem gierte“ also bedeutet a-gierend der nicht Gierende, also der „Machende, der, der das „Gieren nach“ aufgab, um zu handeln.


Neu-gierde ist folglich der Abschluss einer neuen Gier, die noch nicht in eine Handlung übersetzt wurde. Neugierde ist folglich der Wunsch, von Etwas etwas zu bekommen, ohne sich darum bemühen zu müssen, dieses zu erreichen. Es impliziert den Wunsch nach mehr; und das immer wieder. Neugierde ist folglich nicht die Suche, das Verlangen nach dem Neuen, sondern die unstillbare Lust nach dem mehr erfahren haben. Man kann also nur insofern neugierig sein, dass einem der Wunsch, mehr erfahren zu haben (Perfekt) wichtiger ist, als das Erfahren von Neuem. Die Priorität liegt folglich auf der Intensität des immer wieder und nicht auf der Quantität des erlangtem wissen.


Wer neugierig ist, ist folglich unermesslich wissensdurstig aus Prinzip. Es ist der neugierigen Person wurscht, ob sie erfährt, warum es regnet, Adi popelt oder Klaus arbeitet, wichtig ist nur, die Anzahl an Informationen, die man anwachsen lässt und weniger das, was man damit anfangen kann.


Die Frage ist nun, ist das schlecht, oder warum ist uns die Quantität wichtiger als die Qualität? Vielleicht, weil wir den ganzen Tag, ja unser ganzes Leben mit neuen Informationen überschüttet werden. Wir selektieren folglich schon automatisch, weil man gar nicht alles, gleichzeitig aufnehmen kann. Wenn wir ergo neugierig sind, versuchen wir lediglich das Defizit des „nie alles aufnehmen zu können“ zu kultivieren, indem wir uns sagen, „mir fällt eh nur auf, was für mich irgendwie relevant ist und davon kann man nie genug wissen“, also versuche ich möglichst oft „gierig zu sein, um im Anschluss gierig gewesen zu sein, was als Prozess ,neugierig bleiben bedeutet.


Vielleicht komme ich irgendwann dazu, es in einem ruhigen Moment zu sortieren, aber das schlimmste, was mir passieren kann ist, nichts mehr zu erfahren. Aber merken sie es auch. Es scheint zu bedeuten, dass wenn man nicht giert, auch nichts den eigenen Geist erreichen kann. Ohne Gier, keine Befriedigung. Wir würden zwar ohne die Gier Informationen aufnehmen, aber könnten sie nicht verarbeiten. Die Gier gibt der Information die Richtung. Das, wonach ich giere ist das Teleotatos, das Ziel. Das nächste Gieren gibt dem Vorherigen den Sinn. Man könnte beinahe sagen das „Neu“ in Neugierde, ist überflüssig, da es dem Gieren implizit ist. Wer giert, giert nur dann, wenn er es ständig macht, weil die zweite Gier über die erste motiviert wird.


Meine erste Neugierde heute Morgen galt übrigens, wer da an meiner Tür klingelt und im Anschluss hätte ich mir gewünscht, weniger gierig gewesen zu sein, denn dass die Polizei über das Pseudonym Ordnungsamt über die Nachbarschaft Zugang zum Haus verschafft, ist kein gutes Zeichen. Für wen auch immer. Aber will man da wirklich weiter gieren, oder nicht lieber doch negieren? Ich entschied mich für das Agieren und schrieb diesen Artikel. Und Sie so?

Bild: Pixabay

Text: adolf.muenstermann@gmail.com