Das Robert-Koch-Institut (RKI) ist angesichts der derzeitigen Infektionslage für eine Verschärfung des bisherigen Lockdowns in Deutschland. RKI-Präsident Lothar Wieler kritisierte die derzeit geltenden Einschränkungen am Donnerstag als nicht ausreichend - "diese Maßnahmen, die wir jetzt machen - für mich ist das kein vollständiger Lockdown, es gibt immer noch zu viele Ausnahmen." Zuvor war mit 1244 Corona-Toten binnen 24 Stunden ein neuer Höchststand erreicht worden.
In Deutschland gilt nach einem im November begonnenen teilweisen Lockdown seit Mitte Dezember ein harter Lockdown mit weitgehenden Schließungen im Handel und bei Dienstleistungen, in Schulen und Kitas sowie Kontaktbeschränkungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten wollen spätestens am 25. Januar über die Maßnahmen beraten, das staatliche RKI zählt zu den wichtigsten Ratgebern. Bade-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte am Donnerstag bereits ein Treffen in der kommenden Woche.
Nach den Feststellungen des RKI schränkt sich die Bevölkerung aktuell deutlich weniger in ihrer Mobilität ein als im ersten Lockdown im Frühjahr. So habe sich an den Sonntagen im Dezember gezeigt, dass die Menschen viel häufiger unterwegs gewesen seien als im Frühjahr. Die Mobilität sei immer noch zu hoch. Wieler forderte außerdem Unternehmen auf, noch mehr Homeoffice möglich zu machen.
RKI-Epidemiologe Dirk Brockmann sagte, es sei eine "totale Konsensaussage" aller Modellberechnungen, dass die Lockdownmaßnahmen weiter verschärft werden müssten, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Auch RKI-Präsident Wieler befürwortete eine Verschärfung als "Option".
Dabei erneuerte Wieler seinen dringenden Appell, sich an die Abstands- und Hygieneregeln und regelmäßiges Lüften zu halten. "Die konsequente Umsetzung der Maßnahmen ist wichtiger denn je." Dies begründete er auch damit, dass noch nicht abschätzbar sei, wie sich die auch in Deutschland aufgetretenen Mutationen des Coronavirus verbreiten. "Es besteht also die Möglichkeit, dass sich die Lage noch verschlimmert."
Dem RKI sind bisher 16 Fälle der in Großbritannien aufgetauchten Mutation bekannt, dazu vier Fälle aus Südafrika. Bei der britischen Mutation habe sich erwiesen, dass die Ansteckungsgefahr um etwa 50 Prozent höher liege.
Wieler sagte, es gebe in allen Bereichen Luft nach oben bei der Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen. Dies gelte auch für Verantwortungsträger in Unternehmen, die etwa noch deutlich mehr Homeoffice ermöglichen könnten.
Die Zahl der vom RKI erfassten Corona-Toten lag am Donnerstag bei 43.881. Die Zahl der Neuinfektionen gab das Institut mit 25.164 an. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag mit 151,2 und leicht unter dem Wert des Vortags.
Wie der RKI-Präsident sagte, lässt sich die Infektionslage wegen der Feiertage und der damit verbundenen geringeren zahl von Arztbesuchen derzeit nicht einfach interpretieren. Es gebe aber eine positive Entwicklung. "Der Anstieg ist vermutlich nicht mehr so steil wie im Dezember." Die Fallzahlen hätten sich stabilisiert. Genaueres lasse sich in den nächsten Tagen sage.
Wieler zeigte sich zuversichtlich, dass das Coronavirus im Jahresverlauf durch die Impfungen in den Griff zu bekommen sei. "Am Ende dieses Jahres werden wir diese Pandemie kontrolliert haben", sagte er.
ran/cfm
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