Wussten Sie, dass auch Griechenland besetzt und wichtiger Schauplatz des Holocaust war? Zentrale Ereignisse des Zweiten Weltkriegs wie Besatzung, Massenerschießungen, die Deportation von Juden, Widerstand sowie Kollaboration fanden auch in Griechenland statt.
Dies findet sich jedoch bis heute wenig in der deutschen Erinnerungskultur wieder. Die Debatte um die Aufarbeitung der Ereignisse ist in beiden Ländern jedoch nach wie vor nicht abgeschlossen. Die Frage nach den Entschädigungszahlungen Deutschlands prägt die deutsch-griechischen Beziehungen bis in die Gegenwart.
Ein "Gallery Walk" im Außenbereich der Villa ten Hompel erhellt nun bis Anfang Februar 2021 dieses historische Kapitel und die entsprechende Erinnerungskultur. Beispielhaft wird gezeigt, was an einzelnen Orten geschehen ist und wie damit heute umgegangen wird. In Zeiten pandemiebedingter Schließungen bietet Münsters Geschichtsort so Interessierten die Gelegenheit, sich im Rahmen der Bestimmungen unter freiem Himmel über "Deutsche Verbrechen in Griechenland", so der Titel der Außenausstellung, zu informieren.
Die Idee zur Ausstellung entstand im September 2019 im Rahmen einer Delegations- und Austauschreise des „Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW“ e. V. Die Reise wurde von Prof. Dr. Alfons Kenkmann und Peter Römer in ihren damaligen Rollen als Geschäftsführer und Vorstandsassistent des Arbeitskreises konzipiert und durchgeführt. Dr. Christoph Spieker, Leiter der Villa ten Hompel, nahm an der Reise teil.
Ihnen geht eine Menge durch den Kopf, wenn sie an diese Reise zurück
denken. Prof. Dr. Alfons Kenkmann hierzu: "Der Besuch der griechischen
Holocaustdörfer beschämte mich, da akzeptable Wiedergutmachung nie
erfolgt ist. Mit der Abnahme von griechischem Tabak meinte man auf
deutscher Seite allen Ernstes, Sühne getan zu haben."
Peter Römer
konstatiert: "Am meisten erschütterte mich, dass die Triumphgefühle der
deutschen Tätergeneration in Griechenland vielfach ungebrochen sichtbar
sind, etwa durch den Gedenkstein in Kandanos. Hingegen findet das Leid
griechischer Verfolgter so gut wie keinen Widerhall in der deutschen
Erinnerungskultur."
Dr. Christoph Spieker erinnert sich: "Nach der Reise zu den Gedenkorten in Griechenland hat mein idyllisches Bild von früheren Urlauben tiefe Risse bekommen. Unglaublich, wie gastfreundlich die griechischen Vertreterinnen und Vertreter dennoch zu uns waren." Alle drei freuen sich, dass in Zusammenarbeit mit Berit Schröder und Charalampos B. Karpouchtsis, die die Ausstellung kuratierten, der "Gallery Walk" ermöglicht wurde.
Ursprünglich geplant war es, den inhaltlichen Schwerpunkt der NS-Zeit in Griechenland mit dem jährlich stattfindenden Gedenken an die erste Deportation aus Münster nach Riga am 13. Dezember 1941 zu verbinden. Erstmals seit 1991 wird die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Münster e. V. dieses Gedenken jedoch nicht öffentlich gestalten, sondern eine andere Form suchen, das Gedenken in die mediale Öffentlichkeit der münsterschen Stadtgesellschaft zu tragen.
Das Erinnern an die Shoah, davon sind sowohl die Villa ten Hompel als auch die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit überzeugt, darf auch im Corona-Jahr 2020 nicht untergehen, wie auch die Ereignisse der letzten Monate zeigen. Ihnen ist klar: Münster war wie Griechenland Schauplatz von NS-Verbrechen, aus denen wir heute Konsequenzen ziehen sollten.
Quelle: Stadt Münster, Villa ten Hompel
Foto: Corinna Koselleck. Beteiligte am „Gallery Walk“ und am Shoah-Gedenken, v.l.n.r.: Andreas Determann, Peter Römer, Prof. Dr. Alfons Kenkmann, Berit Schröder.