Während die südafrikanische Variante 501Y.V2 in einer Studie in BioRxiv (2021) von Antikörpern aus dem Blut von rekonvaleszenten Patienten nicht mehr erkannt wurde, war einer US-Studie in BioRxiv (2021) die Wirksamkeit der beiden mRNA-Impfstoffe von Moderna und BioNTech/Pfizer nur leicht eingeschränkt.
Die Virusvarianten, die zuerst in England und Südafrika und jüngst auch in Brasilien und Kalifornien aufgetreten sind, weisen (neben anderen auch) Mutationen in den Rezeptorbindungsstellen des Spikeprotein auf. Dies könnte zum einen die erhöhte Infektiosität erklären, die zu einer vermehrten Zahl von COVID-19 in den betroffenen Regionen geführt hat.
Zum anderen könnten die Antikörper, die nach einer Erkrankung oder einer Impfung gebildet werden, ins Leere greifen. Denn die stärksten „neutralisierenden“ Antikörper, die am ehesten den Eintritt in die Zellen verhindern können, setzen an der Rezeptorbindungsstelle an.
Dies muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Impfstoffe nicht mehr wirken oder Rekonvaleszenten nicht mehr vor einer Reinfektion geschützt sind. Beide Gruppen besitzen eine Vielzahl von Antikörpern, die gegen andere Stellen des SARS-CoV-2 gerichtet sind und das Virus weiterhin abfangen können. Die Gefahr ist jedoch gegeben.
Ein Team um Penny Moore von der University von Witwatersrand in Johannesburg hat die Auswirkungen untersucht, die sich aus den 9 Mutationen im Spikegen in der Variante 501Y.V2 ergeben, die sich seit der zweiten Hälfte des letzten Jahres in Südafrika ausbreitet. Diese Variante wurde in den Lab*rexperimenten von 3 Klasse 1-Antikörpern, die gegen die Rezeptorbindungsstellen gerichtet sind, nicht mehr erkannt.
Dies ist Moore zufolge nicht nur Folge von 3 Mutationen in den Bindungsstellen. Auch der Verlust von Aminosäuren an anderer Stelle könnte das Spikeprotein so „verbogen“ haben, dass die Antikörper nicht mehr an der Oberfläche binden.
Die Folge war ein Rückgang der neutralisierenden Wirkung. Die Seren von 21 von 44 Patienten (48 %) waren nicht mehr in der Lage, die Vermehrung der Viren in Zellkulturen zu verhindern. Eine zufriedenstellende Wirkung wurde nur mit dem Serum von 3 Patienten (7 %) erreicht. Alle 3 Patienten hatten eine schwere Krankheit überstanden. Die Ergebnisse der Studie lassen befürchten, dass Menschen nach einer Erkrankung mit anderen Varianten nicht vor einer Reinfektion mit der Variante 501Y.V2 geschützt sind.
Im Gegensatz zu den südafrikanischen Forschern hat das Team um Michel Nussenzweig von der Rockefeller University in New York den Einfluss der neuen Varianten auf die Schutzwirkung der Impfstoffe mRNA-1273 von Moderna und BNT162b2 von Biontech/Pfizer untersucht. Die Geimpften hatten 8 Wochen nach der 2. Dosis wie erwartet hohe Antikörpertiter gegen das Spikeprotein und seine Rezeptorbindungsstelle entwickelt, die eine gute Schutzwirkung gegen die bisher zirkulierenden Varianten gewährten.
Wenn das Serum der Patienten jedoch auf Viren angesetzt wurde, die die Mutation N501Y (wie in der britischen Variante B1.1.7), K417N und E484K oder eine Kombination der 3 Mutationen (wie in der südafrikanischen Variante 501Y.V2) trugen, war die Schutzwirkung im Lab*rexperiment jedoch herabgesetzt. Betroffen waren 14 der 17 stärksten Antikörper, die an der Rezeptorbindungsstelle angreifen.
Dennoch fällt die Einschätzung von Nussenzweig relativ günstig aus. Die Abschwächung der neutralisierenden Wirkung sei gering ausgefallen, schreibt der Forscher. Auch die Vielzahl der Antikörper. die gegen andere Stellen des Spikeproteins gerichtet sind, könnten die Schutzwirkung des Impfstoffes aufrecht erhalten.
Wie sich die Epidemie unter der zunehmenden Zahl von geimpften Personen entwickeln wird, lässt sich aus den Ergebnissen von Lab*rstudien nicht vorhersagen. Die Möglichkeit einer abgeschwächten Schutzwirkung der Impfung ist jedoch gegeben. Die mRNA-Impfstoffe könnten im Prinzip schnell auf die neuen Virusvarianten eingestellt werden. Es würde sich allerdings die Frage stellen, wie intensiv sie dann vor einem Einsatz erneut in klinischen Studien getestet werden müssten.
Ein Wettlauf zwischen Virus und Impfstoffen erscheint auch nach den
Ergebnissen eines weiteren Experiments von Nussenzweig vorstellbar. Der
Forscher hat die Antikörper der geimpften Personen in einem
Lab*rexperiment mit rekombinanten Virus zusammengebracht, die das
Spikeprotein auf ihrer Oberfläche trugen. Schon nach kurzer Zeit kam es
zur Selektion von Viren mit den Mutationen in N501Y, K417N und E484K.
Quelle: rme/aerzteblatt.de
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