Seit fast einem Jahr sitzen wir alle nun mehr oder weniger isoliert zu Hause und warten wie kleine Kinder, die sich beim Regen draußen nicht erkälten sollen auf die Götterdämmerung der Pandemie.
Die Kneipe wurde durch Zoom ersetzt, Teenager machen freiwillig allein Hausaufgaben, Mamas werden plötzlich vegan und mehr oder weniger erfolgreiche Buisinessdudes und Duderininnen verzichten auf die sonst so notwendigen Kurzstreckenflüge von Berlin nach Hamburg oder umgekehrt. Kurz: eigentlich doch gar nicht so schlecht, was uns die spanische Grippe des 21. Jahrhunderts beschert hat. So viele Ziele, die 2019 noch unmöglich schienen, sind plötzlich zum Greifen nah.
Der Nachwuchs freut sich, dass Besuche bei Oma zu einem kurzen virtuellen Vergnügen komprimiert wurden und die Geschenke dennoch per Zustelldienst gebracht werden. Die Natur kann endlich wieder durchatmen, weil Flugzeuge am Boden und immer mehr Kühe auf der Weide bleiben und Couch Potatoes zu Müslinazis gereifen.
Früher hätten wir solche Tendenzen in der Bild-„Zeitung“ oder dem Spiegel mit „ohhh, wie ist das schön“ besungen, aber als typische Vertreter eines miesepetrigen Volkes hängen wir uns natürlich immer nur daran auf, was nicht funktioniert. Noch immer sprechen wir über die alte blonde Speckbacke, formally known as „Mr. President“, noch immer werden irrsinnige und selten dämliche TV-Events mit Gästen wie Thomas Gottschalk als verkleidetem Jimmy Hendrix für Rassismusgespräche medienwirksam ausgeschlachtet, obwohl allein schon eben genanntes Indiz die Seriosität des Formates an sich in Frage stellen sollte.
Hauptsache dagegen, Hauptsache „nein“, Hauptsache meckern. Die erste Zeile unserer vormaligen Nationalhymne wird: Deutschland, Deutschland über alles – regen sich die Menschehen auf. Fußpilz, Virus, keine Kneipe, wie hält man das bloß nohoch aus? Glüh im Glahanze dieses Hahasses über Virus, Schwarze und Frauen.
Wie anstrengend. Wie überflüssig, wie typisch deutsch.
Aber halt: Maaaaama, der Adi hat sich über Neger und Corona-Virus lustig gemacht!!!!! Darf der das?
Nein, ja und nein. 1. Mach ich mich nicht über den Virus, oder besser das Virus lustig, sondern über die, die es bekommen könnten.
2. Ja, selbst wenn ich mich lustig machen würde, dürfte ich das, denn Satire darf durch Überhöhung und Zuspitzung auf soziale Fehlentwicklungen hinweisen. Da lässt Böhmermann Ziegen mit Staatschefs kopulieren (wie lustig, selbst ohne jede fundamental berechtigte Begründung), Jonathan Meese streckt den rechten Arm zum Hitlergruß auf der Bühne aus (wie unlustig) und der kleine Drecksack aus der Gossenkolumne philosophiert mitten in der Nacht an der Grenze des guten Geschmacks über die positiven Konsequenzen einer Pandemie, indem er unsern Thommy als Hochrisikopatienten nicht ernst nimmt. Na sowas?!
Marcel Reich würde sagen: „Das kann man so sehen, muss man aber nicht“. Meiner Ansicht nach spricht der schöne TV-elder Statesman mit O-Beinen und Wurzeln beim 1.FC Kaiserlautern, wahre Worte, auch wenn sie von einem Chateau in der Schweiz irgendwie funkier wirken als aus einer Etage im Hochhauskomplex einer Stadt, dessen Oberbürgermeister ernsthaft über eine Musikhalle nachdenkt. Als Mini-Metropole des Arbeiter und Bauern Staates NRW ist das mindestens so dekadent und absurd wie das Studium der Philosophie für einen midlife crises geplagten Versager aus der Unterschicht. Aber hey, als CDU`ler darf man alles, nur nicht Friedrich Merz heißen (das 2. „nein“).
Was ich sagen will: Bleiben Sie entspannt. Wechseln sie die Perspektive. Kultivieren sie die Not zu dem, was sie gebracht hat: Wandel. Nie wurde mehr über das eigene (Fehl-)Verhalten nachgedacht. Nie wurde die Umwelt weniger belastet (in jüngster Zeit) und nur in Kriegen wurde die Innovationskraft der Menschen ähnlich beflügelt wie zu Covid-19 Zeiten. Impfstoffe im Eiltempo. Schrumpfende Mitgliederzahlen bei der AfD, eine Frau und darüber hinaus eine mit Migrationshintergrund (waaaaaaas?!) schafft es 2021 erstmalig zur Vizepräsidentin des selbsternannten modernsten Staates der Welt (Ich hoffe, sie hören die Ironie beim letzten Argument heraus) .
Wenn das kein Grund zum Feiern ist!
Am Ende, also in den Geschichtsbüchern, wird die Covid Pandemie für unsere Enkel synonym für die viel zu vielen Opfer stehen, die mehr der Dummheit bürokratischer Instanzen als des unüberwindbaren biologischen Mutationspotentials eines „natürlichen Feindes“ geschuldet sind. Und ich will nicht sagen, dass ich die Pandemie mit der Krone leugne. NEIN. Ich will sagen, wir haben nichts aus dem Problem gelernt, obwohl das Potential selten groß war.
Wir werden 2025 wieder mit dem Flugzeug zum Nachbarn jetten, mit dem SUV Rindersteaks aus Massentierhaltung kaufen, Kinder werden den Rechner wieder zur Konsole degradieren, und die Politik wird nichts über Krisenverhalten im Ausnahmezustand an sich gelernt haben. Aber wissen wir, wie das Corona- Virus aussieht. Toll. Und was ist, wenn demnächst ein Perla-Bakterium aus dem Schmuckkasten der tödlichen Infektionsgefahren fällt?
Wir stricken keine Gesichtsmasten sondern kaufen direkt FFP 42 („for face Protection und 42 hier als „Die Wahrheit“) Masken, aber schieben weiterhin Einkaufswagen mit Bergen von Klopapier nach Hause und heulen, dass wir für unser Bier nicht fünf Euro ausgeben dürfen, weil die Kneipen geschlossen sind.
Kleinunternehmer werden in den Ruin getrieben, Verbrechersyndikate mit 20 Prozent Staatsanteil wie VW,(Komma, Nebensatz als Subjekt,) werden mit Subventionen gepudert. Und ein Söder wird Kanzler.
Einigkeit und Recht auf Dummheit – aber immerhin ein Recht, dass sich selbst in absurdesten Situationen nicht kleinkriegen lässt, weil Schwarmintelligenz auf Dauer immer schon cleverer war, ist und sein wird, als singulärer Größenwahn. Das wird man auch im Inselstaat früher oder später begreifen. Ganz bestimmt.
Text: adolf.muenstermann@gmail.com
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