Hauptziel des juristischen Vorgehens gegen ihn sei es, "Millionen Menschen Angst einzujagen", sagte der 44-Jährige am Dienstag in Moskau. Ihm drohen nach Angaben seines Anwalts zweieinhalb Jahre Gefängnis.
"Das Hauptziel dieses Prozesses ist es, eine große Zahl an Menschen einzuschüchtern", sagte Nawalny bei der Anhörung. "Sie sperren einen Menschen hinter Gitter, um Millionen Menschen Angst einzujagen." Mit Blick auf die Massenproteste gegen Präsident Wladimir Putin an den vergangenen zwei Wochenenden fügte er hinzu: "Millionen oder hunderttausende Menschen einzusperren, ist unmöglich." Der Moment, an dem die Russen dies erkennen würden, werde kommen. "Und dann könnt Ihr nicht das ganze Land einsperren."
Nawalny machte erneut Putin für den Giftanschlag auf ihn verantwortlich, den der 44-Jährige im August nur knapp überlebt hatte. Wladimir Putin werde "als Vergifter von Unterhosen in die Geschichte eingehen", sagte der Kreml-Kritiker. Nach seinen Angaben war das bei dem Anschlag genutzte Nervengift in seiner Unterhose versteckt worden.
Zugleich wies der Oppositionelle Vorwürfe zurück, er habe während seines Aufenthaltes in Deutschland, wo er nach dem Giftanschlag behandelt worden war, gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Wegen dieser Verstöße will die russische Strafvollzugsbehörde (FSIN) eine existierenden Bewährungsstrafe von 2014 in eine Gefängnisstrafe umwandeln.
Er habe der FSIN seine Adresse in Deutschland mitgeteilt, sagte Nawalny. "Was hätte ich denn sonst noch tun sollen? Hätte ich Ihnen ein Video von meiner Physiotherapie schicken sollen?"
Zu der Anhörung hatten sich vor dem Gerichtsgebäude Anhänger des bekanntesten Putin-Kritikers versammelt. Reporter der Nachrichtenagentur AFP sahen, wie eine große Zahl an Sicherheitskräften gegen die Menschen vorging. 24 Menschen seien in Gewahrsam genommen worden, teilte die Nichtregierungsorganisation OVD-Info mit.
Nawalny war 2014 wegen des Vorwurfs der Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Diese Bewährung will die FSIN nun zurückziehen und die Gefängnisstrafe gelten lassen. Dieser Antrag wird von der Staatsanwaltschaft unterstützt. Da Nawalny einen Teil bereits im Hausarrest abgesessen hat, drohen ihm nach Angaben seines Anwalts noch etwa zweieinhalb Jahre Haft.
Nawalny war im August nach dem Giftanschlag in Sibirien nach Deutschland gebracht und in der Berliner Charité behandelt worden. Bei seiner Rückkehr nach Russland im Januar wurde er umgehend inhaftiert.
Bereits diese Festnahme hatten die Behörden mit Verstößen gegen Bewährungsauflagen begründet. Der Oppositionelle wurde am Tag darauf im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt.
Aus Protest gegen seine Inhaftierung waren an den vergangenen zwei Wochenenden in ganz Russland unzählige Menschen auf die Straße gegangen und hatten auch gegen Präsident Putin demonstriert. Die Sicherheitskräfte gingen massiv gegen die Demonstranten vor und nahmen tausende von ihnen fest. Der Westen - darunter auch die Bundesregierung - verurteilten die Gewalt gegen die friedlichen Demonstranten.
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