Der Bundestag wird nun doch nicht mehr in diesem Jahr über die Neuregelung der Organspende entscheiden. Über die konkurrierenden Gesetzesentwürfe zu einer Widerspruchslösung und einer Zustimmungsregelung soll erst in der ersten Sitzungswoche des Bundestages 2020 im Januar abgestimmt werden, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Kreisen der Antragsteller erfuhr. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) unterstützt die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mitgetragene Widerspruchslösung.
Über die Verschiebung der Abstimmung hatte zunächst der Berliner "Tagesspiegel" (Freitagausgabe). Ursprünglich waren Abschlussdebatte und Beschluss des Bundestages demnach für den Dezember vorgesehen. Die Gruppe um Spahn und den SPD-Abgeordneten Karl Lauterbach, die eine Widerspruchslösung fordert, habe wegen Änderungsanträgen kurzfristig noch einmal um Terminverschiebung gebeten. Dem stimmte die andere Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Vorsitzende Katja Kipping zu.
Nach deren Antrag soll eine Organentnahme ohne ausdrücklich geäußerten Willen des Spenders auch künftig nicht möglich sein. Allerdings soll die Organspendebereitschaft regelmäßig bei Behörden oder beim Arzt erfragt werden. Die Abgeordneten um Spahn und Lauterbach dagegen fordern, bei allen Bürgern eine Organentnahme zu erlauben, die dem nicht vorher widersprochen haben. Der Ausgang der Abstimmung ist bislang völlig offen.
Die Widerspruchslösung bringe "den gesellschaftlichen Willen zur Organspende und Transplantation klar zum Ausdruck", erklärte der für medizinische Fragen zuständige DSO-Vorstand Axel Rahmel am Donnerstag in Berlin auf dem Jahreskongress der Stiftung. Das Modell stärke zudem entsprechende Klinikstrukturen.
Die DSO bekräftigte ihr Engagement bei der Umsetzung der vor einigen Monaten in Kraft getretenen Reformen bei der Organspende. Dazu gehört unter anderem auch eine Stärkung der Transplantationsbeauftragten innerhalb der Krankenhäuser. Nun gelte es die praktische Umsetzung der Neuerungen zu unterstützen, erklärte die Stiftung. Sie koordiniert bundesweit die Vergabe von Organen verstorbener Spender, sogenannte postmortale Spenden.
In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres stiegen bereits die Kontakte von Kliniken zur DSO, wie diese weiter berichtete. Sie erhöhte sich Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum von 2341 auf 2522. Die Zahl der Spender und Spenderorgane stieg zunächst aber nicht.
Die Zahl postmortaler Spender lag bis einschließlich Oktober mit 775 leicht unter dem Vergleichszeitraum des Vorjahres (787). Gleiches galt für die Gesamtzahl der Spenderorgane, wo es einen Rückgang von 2566 auf 2507 gab. Angesichts dieses Zwischenstands sei es derzeit noch schwer absehbar, ob die Änderungen zu einer nachhaltigen Erhöhung der Spenderzahlen führten, erklärte die DSO.
Nach Ansicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz schadet die Diskussion um die Widerspruchsregelung der Organspende. "Offensichtlich führt mehr Aufmerksamkeit und eine Debatte über Organtransplantationen nicht automatisch zu mehr Spenden, auch wenn Bundesgesundheitsminister Spahn dies gern behauptet", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der Nachrichtenagentur AFP. "Das Transplantationssystem bleibt in der Vertrauenskrise." Nun sei "ein starkes Signal der Politik gefordert, dass der Staat Verantwortung übernimmt".
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