Persönliches Schreiben des Bundesfinanzministers enthält Angebot, die Infrastruktur zum Import von umwelt- und klimaschädlichem US-Fracking-Gas direkt mit einer Milliarde Euro der deutschen Steuerzahler zu fördern.
Im Gegenzug sollen die USA Sanktionen gegen Weiterbau und Betrieb der massiv klimaschädlichen Mega-Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 außer Kraft setzen
DUH: Märchen, es handele sich bei Nord Stream 2 und LNG-Terminals um rein privatwirtschaftliche Projekte, als Unwahrheit entlarvt
Berlin, 9.2.2021: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlicht
heute ein bislang geheim gehaltenes Schreiben aus dem August 2020 von
Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz an seinen damaligen
US-amerikanischen Amtskollegen Steven Mnuchin. Darin bietet er an, den
Import US-amerikanischen Flüssigerdgases (liquified natural gas, LNG)
mit einer Milliarde Euro aus deutschen Steuermitteln zu fördern. Im
Gegenzug sollten die USA auf Sanktionen gegen die Fertigstellung der
Nord Stream 2-Pipeline verzichten.
Über einige Inhalte des Schreibens
war schon vergangenes Jahr in der „Zeit“ berichtet worden. Trotz
öffentlichen Drucks, einer Anfrage aus dem Bundestag und Anträgen auf
Herausgabe durch die DUH hat die Bundesregierung das Dokument und seinen
Inhalt bislang aber nicht bestätigt und weiter geheim gehalten.
Um den
angebotenen Geheimdeal endlich eindeutig belegen zu können, hat sich die
DUH zur Veröffentlichung des ihr inzwischen vorliegenden
Originaldokuments entschieden. Nur so kann die Öffentlichkeit über das
Vorgehen und die wahren Motive der Bundesregierung bezüglich
Klimaschutz, Nord Stream 2 und LNG-Terminals aufgeklärt werden.
Die Verbraucher- und Umweltschutzorganisation verlangt von Vizekanzler Scholz und der Bundesregierung eine Erklärung für ihr Verhalten sowie Aufklärung, ob das Angebot auch gegenüber der neuen US-Regierung unter Joe Biden aufrechterhalten wird.
„Bundesfinanzminister Olaf
Scholz hat der Regierung von Donald Trump noch vor wenigen Monaten einen
schmutzigen Deal auf Kosten Dritter vorgeschlagen. Die Leidtragenden
sind das Klima und der Steuerzahler. Dass der Import von schmutzigem
Fracking-Gas aus den USA mit einer Milliarde Euro unterstützt werden
soll, ist ein Skandal. Scholz versucht hier ganz offensichtlich, den USA
den Verzicht auf Sanktionen gegen die Mega-Pipeline Nord Stream 2 gegen
Cash abzukaufen.
Die Mär vom privatwirtschaftlichen Gasgeschäft, die
die Bundesregierung uns seit Jahren aufzutischen versucht, ist damit
endgültig entlarvt.
Klimaschutz ist für den Vizekanzler offenbar nur ein Lippenbekenntnis, das diesem Doppel-Deal zugunsten der Gaslobby willfährig geopfert wird. Wir wollen wissen, ob der schmutzige Deal zwischen Scholz und der Trump-Regierung weiter gilt und wie der Bundesfinanzminister der deutschen Bevölkerung die Verwendung von Steuergeld für dieses durchsichtige Kompensationsgeschäft erklären möchte“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Dem
persönlich gehaltenen Schreiben des Bundesfinanzministers ist ein
sogenanntes Non-Paper beigefügt. In diesem wird schon in der Überschrift
der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Nord Stream 2-Pipeline und
zwei geplanten Flüssigerdgas-Terminals an der norddeutschen Küste
dargestellt.
Der Bundesfinanzminister bietet der US-Administration eine
Paketlösung aus finanziellen und politischen Maßnahmen zur Unterstützung
des Importes von amerikanischem Flüssigerdgas an, das mit der umwelt-
und klimaschädlichen Fracking-Methode gewonnen wird. Außerdem offeriert
er eine Reihe von Kompensationsmaßnahmen für die vom Bau der Nord Stream
2-Pipeline wirtschaftlich betroffenen Gastransitländer Ukraine und
Polen.
Im Gegenzug soll die US-Regierung den Weiterbau und Betrieb der Nord Stream 2-Pipeline zulassen und auf den Einsatz bestehender oder zukünftiger Sanktionsmöglichkeiten verzichten. Die klimapolitischen Auswirkungen der genannten fossilen Mega-Projekte werden im Angebot des Bundesfinanzministers ausgeblendet. Alle genannten Gasprojekte werden von der DUH abgelehnt, weil mit ihrem Bau die deutschen Klimaziele nicht mehr erreicht werden können.
„Die Bundesregierung opfert den
Klimaschutz den fossilen Gasprojekten. Sie versucht ein extrem umwelt-
und klimaschädliches Projekt abzusichern, in dem sie Geld der
Steuerzahler verschwendet und damit noch mehr umwelt- und
klimaschädliche Erdgas-Infrastruktur baut.
Dieser schmutzige Deal hat
einen Gegenwert von jährlich rund 130 Millionen Tonnen CO2. Das
aberwitzigste dabei ist, dass alle diese Projekte überhaupt nicht
benötigt werden, um den Erdgasbedarf Deutschlands zu decken. Der
Gasverbrauch ist selbst nach eigenen Prognosen der Bundesregierung
rückläufig, Nord Stream 2 und LNG-Terminals damit vollkommen unnötig.
Wir verlangen deshalb eine Erklärung der Bundesregierung zu diesem dreisten, unnötigen und verhängnisvollen Bruch der eigenen Klimaverpflichtungen“, sagt Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei der DUH.
Hintergrund:
Die DUH wehrt sich sowohl gegen den Bau der geplanten LNG-Terminals als auch gegen die Fertigstellung von Nord Stream 2. Zu den geplanten LNG-Standorten Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade hat die DUH jeweils Rechtsgutachten vorgelegt, in denen die Genehmigungsfähigkeit der Anlagen unter anderem aus Klimaschutzgründen widerlegt wird. Alle LNG-Terminals kämpfen mit planerischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Pläne für Wilhelmshaven wurden inzwischen auf Eis gelegt. Auch gegen den Weiterbau von Nord Stream 2 geht die DUH mit rechtlichen Mitteln vor. Nach Widersprüchen von DUH und NABU wurden die Arbeiten in deutschen Gewässern im Januar gestoppt.