Für die einen ist es ein Umweltgift, für die anderen Grundnahrung: Die organische Verbindung Phenol entsteht bei einer Reihe von Industrieprozessen als problematisches Nebenprodukt, doch manche Mikroorganismen können das für Menschen ätzende und organschädigende kristalline Pulver als Kohlenstoffquelle verwenden. Einer dieser Mikroorganismen ist die zu den Archaeen zählende Art Saccharolobus solfataricus, dessen Umgang mit Phenol nun ein Forschungsteam genau analysiert hat – denn das Potenzial, diesen Prozess industriell zu nutzen, ist groß.
Stoffwechselweg und beteiligte Enzyme beschrieben
Wie die Forschenden um Meina Neumann-Schaal vom Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH in Braunschweig im Fachjournal "Frontiers in Microbiology" berichten, kann S. solfataricus mit Phenol als einziger Kohlenstoffquelle überleben, die Verbindung abbauen und daraus eigene Biomasse aufbauen. Den zugrundeliegenden Stoffwechselweg hat das Team nun erstmals genau beschrieben und auch die wahrscheinlich daran beteiligten Enzyme zugeordnet.
Die Mikrobe mag es heiß und sauer
Die mittels modernen Methoden der Biochemie gewonnenen Erkenntnisse sind insbesondere für die Textilindustrie und chemische Industrie interessant, wo Phenol als Abfallprodukt anfällt. Zwar sind bereits einige Bakterien und Pilze bekannt, die den Giftstoff auf biologischem Weg abbauen können, doch diese können nur bei moderaten Temperaturen zwischen 20 und 45° C existieren. Das Archaeon hingegen schätzt Temperaturen um 80° C und mag auch saure Umgebungen mit einem pH-Wert von 3,5. Das entspricht eher den Bedingungen, unter denen in der Industrie Phenol anfällt. Für einen mikrobiellen Abbau durch S. Solfataricus müssten die Abfälle daher nicht kosten- und energieintensiv abgekühlt und neutralisiert werden. Außerdem gehören die meisten bakteriellen Alternativen zur Gattung Pseudomonas, die zahlreiche Arten umfasst, die beim Menschen Krankheiten verursachen.
Forschung auf diesem Gebiet ganz am Anfang
„Der Einsatz von Archaea wie Saccharolobus solfataricus könnte die Problematik der Aufarbeitung der industriellen Phenolabfälle umgehen und somit Kosten einsparen“, resümiert die Biochemikerin Meina Neumann-Schaal. „Wir wissen nun, welche Proteine in den Phenolabbau involviert sind und können gezielt bei anderen Archaea danach suchen.“ Unter Umständen gebe es andere Gruppen, die einen noch effizienteren Phenolabbau durchführen können, vermutet die Expertin, denn sicher ist: „Die Forschung auf diesem Gebiet steht noch ganz am Anfang.“
Bioökonomie/ bl
Foto: Symbolbild, Foto-Rabe/Pixabay. Das giftige Phenol entsteht bei einer Reihe von Industrieprozessen. Das Archaeon Saccharolobus solfataricus kann die Verbindung bei höheren Temperaturen abbauen, als andere Mikroorganismen.