Dass skandinavische Filmemacher eher strange inszenieren, weiß man nicht erst seit Aki Kaurismäki, Lars von Trier oder anderen. Wie man es richtig macht, sieht man bei filmischen Events wie „das Fest“, von Thomas Winterberg, wie man es versaut, zeigt „Vivarium“.
Gestern wurde ich von meiner Tochter gebeten, mir einen Film anzuschauen, bei dem es ihr nicht zu passen schien, dass sie ihn nicht mochte. Und diese verstörende „Wertung“ bringt gut zum Ausdruck, was Vivarium vergeigt, nämlich: Auf den Punkt zu kommen.
Tom und Genna sind ein junges Paar kurz vor der Ehe. Etabliert im Alltag irgendeiner Groß- oder Kleinstadt und, zumindest latent, auf der Suche nach einem gemeinsamen Zuhause. Was natürlich standesgemäß stangengemäß zumindest angedacht werden kann.
Und so wie Insekten in einem Vivarium, landen Genna und Tom in einer menschenleeren Trabantenstadt, die ein wenig an „Truman Show“ erinnert, auch wenn letzterer sein Potential viel besser nutzte. Nur da, wo Jim Carry, alias Truman im Horizont eine Tür entdeckt, die als Übergangsraum die topologisierte Semantik „Kunstwelt“ mit der Realen verbindet, kriecht Genna unter den Bürgersteig, um wieder bei Haus Nummer neun zu landen.
Martin, der Immobilienmakler, der den „Turteltauben“ das standardisierte „Perfect-Home“ vorstellig macht, wird zum symbolisch vertretenen Zuschauer, der banal inszeniert „erzählt“, was dem Film in den vorangegangen 90 Minuten nicht geglückt ist: Das Leben ist ein Kreislauf und dieser Kreislauf ist total unemotional. Das wusste Nietzsche bereits Mitte des vorletzten Jahrhunderts und nannte es: Nur die Darsteller wechseln, die Geschichte bleibt die gleiche.
Knapp eine Stunde suchte ich im Plastic home aus geschmacksfreien Lebensmitteln und Kindern frei Haus den intelligenten Twist, den Turning- point den “Aha-Effekt, das Neue – den „Dancer in the dark“ aber fand in den Fraktalen der Fraktale als Fraktale nur Fraktale, aber nie ein Bild, das mehr ausdrückt als die Oberfläche.
Wie meine Tochter nervte es mich, dass ich den Film nicht mögen konnte. Die Idee der Geschichte ist großartig, die Stilmittel gefielen mir und die moralische Baustelle ist relevant, aber wie so vieles, das so wichtig ist oder wäre, klatscht einen das Medium mit einer plakativen „Sinn-Flut“ zu, die jede Phantasie des Betrachters im Pathos des kalten Erzählens ersäuft.
Warum schmecken die Erdbeeren nach Nichts? Warum kann man dem Labyrinth „Vivarium“ nicht entfliehen? Oder besser, warum Tom und Genna nicht? Warum verbrennt ein Haus und steht dann wieder, aber ein Loch im Boden kann wachsen, über Tage? Warum atmet die ungesehene Person wie ein Frosch? Warum hat Tom immer noch Zigaretten? Das und noch viel mehr, hätte man interessant in Szene setzen können, hätte aus einer Zigarette wirklich eine zündende Idee machen können; hätte, hätte Fahrradkette.
Schade,
Gesamturteil: Ein labbriges Knäckebrot mit einer Idee Frischkäse.
Bild: Pixabay
Text: adolf.muenstermann@gmail.com